Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Irgendwann kommt der Moment, wo sie sein Herz erreicht, und dann ist es aus.«
»Gibt es keine Heilungschancen?«
»Man kann nur das Ende hinauszögern. Wir kämpfen mit allen Mitteln darum, sein Leben zu verlängern.« Wir sind vor der Tür des Ärztezimmers angekommen. »Bleibst du noch auf einen Kaffee?«
»Nein, ich muss zurück. Bei uns steht der Laden Kopf.«
Er denkt kurz nach. »Manchmal sage ich mir, es geschieht ihm recht«, meint er dann. »Das ist der Preis, den er für all die Medaillen und für das Vermögen, das er durch den Anabolika-Konsum verdient hat, zahlen muss. Andererseits ist er ein so netter Mensch, dass mir sein Schicksal in der Seele weh tut.«
Auf der Rückfahrt versuche ich das von Tsolakis Gehörte einzuordnen. Sowohl Sissimopoulos als auch Robinson waren Nestbeschmutzer, der eine hat sich mit der Coordination and Investment Bank in Vaduz unbeliebt gemacht und der andere mit Hedgefonds. Auch wenn ich die Funktionsweise der Hedgefonds nicht genau begreife, ist klar, dass ihretwegen viele Menschen großen Schaden erlitten haben. Und diese Tatsache reicht mir.
Doch wer hat die beiden Banker auf dem Gewissen? Nehmen wir einmal an, der Mörder hat sie getötet, um ihnen den Schaden heimzuzahlen, den sie ihm zugefügt haben. Das allein schließt eigentlich aus, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Täter sowohl in Vaduz als auch in New York in den Ruin getrieben wurde. Also muss es sich um zwei Täter handeln. Dagegen spricht allerdings, dass Sissimopoulos und Robinson auf die gleiche Weise ums Leben kamen.
Hier verheddern sich meine Gedanken, und es gelingt mir nicht, die - sei es auch noch so unwahrscheinliche -Möglichkeit eines Terroranschlags völlig ins Reich der Phantasie zu verweisen. Eins scheint mir jedoch klar: Der Dreh- und Angelpunkt des Falles ist nicht im Ausland zu suchen, sondern liegt irgendwo in Griechenland. Doch egal, in welche Richtung ich meine Überlegungen lenke, überall türmen sich nur Hindernisse vor mir auf.
16
A m nächsten Morgen erwartet mich auf dem Flur vor meinem Büro eine Truppe, deren Hautfarbe von Olivfarben über Dunkelbraun bis Tiefschwarz reicht. Bei ihrem Anblick beginne ich zu ahnen, was für ein Verständigungsproblem mir bevorsteht. Ganz abgesehen davon, dass ich mich nicht ganz auf der Höhe fühle, da ich gestern ein ausführliches Gespräch mit Fanis und Katerina über Adrianis Zustand hatte. Nach wie vor hat sie die Jalousien heruntergelassen. Doch auch im übertragenen Sinn lässt sie nichts an sich heran. Dennoch behält Fanis einen kühlen Kopf: »Beruhige dich, es wird schon wieder. Sie steht immer noch unter Schock, das ist ganz normal. Sie braucht noch ein Weilchen, um sich davon zu erholen.«
Mir sind Adrianis ewiger Widerspruchsgeist und spitze Bemerkungen so vertraut, dass mich ihre ungewöhnliche Passivität ganz durcheinanderbringt. »Meinst du, es ist die geeignete Therapie, die Jalousien herunterzulassen?«, habe ich Fanis gefragt.
»Das ist keine Therapie, sondern Selbstschutz. Der Eindruck des Selbstmords ist noch frisch. Wenn es ihr in einer Woche nicht bessergeht, würde ich einen Psychologen hinzuziehen.«
Ich weiß nicht, ob es an seinem Beruf liegt oder an seinem Charakter, jedenfalls reagiert Fanis in den meisten Fällen sehr besonnen. Katerina, die sich während des Gesprächs zurückgehalten hatte, stimmte Fanis grundsätzlich zu, verkürzte jedoch die Frist von einer Woche auf drei Tage.
»Obwohl, zum Psychologen wird sie niemals freiwillig gehen«, fügte sie hinzu, da Adriani ihrer Ansicht nach den stummen Protest als Therapieform vorzieht.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf gehen, kommt Dermitsakis mit einem triumphierenden Lächeln auf mich zu.
»Diesmal können Sie nicht meckern, wir haben gut gearbeitet«, sagt er. »Rasch und effektiv.«
»Sag mal, Dermitsakis, in welcher Sprache soll ich mich mit denen unterhalten?«
»Alle können etwas Griechisch, Herr Kommissar.«
»Willst du damit andeuten, dass wir einen Dolmetscher brauchen?«
»Nein, sie können sich ganz gut verständlich machen. Vielleicht müssen Sie zusätzlich noch Ihre Englischkenntnisse einsetzen.«
»Na gut, dann schick sie mir in zehn Minuten rein.«
Diese Zeitspanne brauche ich für mein Croissant und meinen Kaffee. Ich bin gerade beim letzten Schluck, als der erste Schwung von fünf Mann hereinkommt. Obwohl zwei Stühle zur Verfügung stehen, nimmt
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