Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
und Fanis, und in die ahnungslosen Amateure, Adriani und mich.
»Ach nein, Iniesta, so kommst du doch nicht vorbei!«, ruft Katerina. »Immer dieses Gedribbel!«
»Er sucht nach einer Anspielstation«, erklärt Fanis.
»Xabi Alonso ist doch genau neben ihm! Ist er denn blind?«, protestiert Katerina.
»Wer ist denn der mit dem Schnauzer, der da auf der Bank zwischen den Spielern vor sich hin döst?«, fragt Adriani.
»Das ist del Bosque, der spanische Nationaltrainer. Und der döst überhaupt nicht vor sich hin, Mama. Das ist einer der besten Fußballtrainer der Welt.«
»Auf mich wirkt er jedenfalls wie eine Schlafmütze.«
Mir ist unverständlich, was meine Tochter und mein Schwiegersohn an diesem Sport so toll finden. Mein Eindruck ist folgender: Die Spanier schieben sich gemütlich die Bälle zu, und die Holländer versuchen vergeblich, ihnen den Ball abzujagen. Für den Laien ist Fußball nur interessant, wenn der Torwart in Aktion tritt. Denn bei einem gezielten Schuss hat der Torwart die Gelegenheit zu einer spektakulären Parade, und die Zuschauer kommen auf ihre Kosten. Wenn der Ball nur von einem zum Nächsten rollt, ist es langweilig. Dass ich mit meiner Einschätzung nicht alleine dastehe, bestätigt mir Fanis. »Na ja, nicht gerade ein hochklassiges Match«, bemerkt er.
»Endspiele sind selten hochklassig«, erwidert Katerina. »Da bleibt jede Mannschaft vorerst in Deckung, um kein schnelles Tor zu kassieren, und darunter leidet das Angriffsspiel.«
»Ja, aber um zu gewinnen, muss man doch Tore schießen«, werfe ich ein.
»Wenn erst mal ein Tor gefallen ist, kann das Spiel schnell kippen«, lautet Katerinas Antwort. »Die Mannschaft muss die Abwehr aufmachen, wenn sie den Ausgleich erzielen will, und dann kriegt sie bald mal ein paar Gegentreffer, bevor sie selbst ein Tor schießt.«
»O je, das sieht nach Verlängerung aus«, meint Fanis betrübt.
»Hoffen wir, dass es kein Elfmeterschießen gibt, denn dann wäre der Titel reine Glückssache«, bemerkt Katerina.
Obwohl ich keinen Schimmer von Verlängerungen, Elfmeterschießen oder diversen anderen Glückssachen habe, frage ich lieber nicht nach. Schließlich muss ich meine Ahnungslosigkeit nicht noch weiter offenbaren.
»Wozu spielt der hier denn überhaupt mit?«, fragt Adriani. »Jedes Mal, wenn er den Ball kriegt, schießt er daneben oder verliert ihn sofort wieder. Warum wechselt ihn die Schlafmütze nicht aus?«
»Was? Wen soll er auswechseln, Mama? David Villa? Das ist ein spanischer Topscorer!«
»Was heißt denn das schon wieder?«, frage ich naiv dazwischen.
»Torschützenkönig«, übersetzt mir Fanis.
Im Verlauf des Spiels mache ich eine unerfreuliche Feststellung. Die ruhige und versöhnliche Katerina, die - immer wenn’s brenzlig wird - zwischen mir und Adriani vermittelt, hat sich in eine quasireligiöse Fanatikerin verwandelt. Sie kreischt wie am Spieß, springt alle naselang aus ihrem Sessel hoch und schlägt sich die Hände vors Gesicht, wenn die Spanier in Gefahr sind. Sie und Fanis sind so in das Spiel vertieft, dass sie die Souflaki links liegen lassen. Daher habe ich in der Zwischenzeit schon drei Portionen verdrückt, ohne dass es meiner Tochter oder meinem Arzt aufgefallen wäre. Doch Adriani entgeht so schnell nichts, und sie zischt mir zu: »Lass es gut sein, das reicht jetzt.«
»O nein, verdammt, Robben zieht an allen vorbei! Gleich gibt’s ein Tor!«, ruft Katerina und springt hoch. Doch im letzten Augenblick erwischt der spanische Torhüter den Ball gerade noch mit der Fußspitze.
»Abgewehrt!«, schreit Katerina und sinkt erleichtert in ihren Sessel zurück. »Gerettet! San Iker, du bist ein Heiliger!«
»Wer ist ein Heiliger?«, fragt Adriani.
»Iker Casillas, der spanische Nationaltorhüter, Mama. Die Spanier nennen ihn >San Iker<.«
»Dass auch Torwarte heiliggesprochen werden, höre ich zum ersten Mal. Ich dachte, dazu muss man Märtyrer sein«, bemerkt Adriani und bekreuzigt sich.
»Dieser Robben ist mir unsympathisch«, kommentiert Katerina. »So ein eiskalter, arroganter Blick!«
»Hm, stimmt«, meint Fanis. »Da wirkt Sneijder sympathischer.«
»Mir gefällt jedenfalls der Kopfballspieler«, sagt Adriani.
»Wen meinst du? Carles Puyol?«, fragt Fanis.
»Keine Ahnung, wie er heißt. Aber er spielt so ähnlich wie der griechische Torschütze im em-Finale. Der hat auch immer Kopfbälle geschossen.«
»Wen meinst du, Mama? Charisteas? Die beiden kann man doch nicht
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