Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
rennen zu den Nachbarn, die sich auf dem Bürgersteig versammelt haben, die anderen zu den Streifenwagen. Ein paar erblicken mich an der Ecke zur Stratigou-Rongakou-Straße und kommen auf mich zu.
»Was ist passiert, Herr Kommissar?«
»Es gibt ein neues Opfer.«
»Wieder derselbe Täter?«
»Auf den ersten Blick ja. Morgen wissen wir mehr.«
»Und das Opfer?«
»Vorläufig unbekannt.« Sie blicken mich spöttisch an, da sie von den Nachbarn schon alles erfahren haben. »Hören Sie, ich weiß, dass Sie seine Identität schon kennen«, sage ich zu ihnen. »Aber behalten Sie es noch für sich, bis wir die Angehörigen offiziell benachrichtigt haben. Es wäre nicht schön, wenn sie es aus dem Radio oder Fernsehen erfahren würden. Vorläufig kann das Opfer doch als >noch nicht identifiziert< gelten, oder? Geben Sie das bitte auch an Ihre Kollegen weiter.«
»In Ordnung, Herr Kommissar«, antworten sie ohne Umschweife.
Dann drehe ich eine Runde auf der Suche nach irgendeinem geöffneten Zeitungs- und Getränkekiosk. Die beste Quelle für Verbrechen, die mitten auf der Straße verübt werden, sind solche Kioske. Aber zu dieser Stunde sind alle geschlossen. Nur ein Ladenbesitzer an der Ecke Akakion- und Frangoklissias-Straße ist noch auf dem Posten, doch er war zu weit entfernt, um etwas Auffälliges zu beobachten.
Dermitsakis kehrt von seinem ersten Rundgang durch die erleuchteten Apartments in der Samou-Straße zurück.
»Sag nichts, ich sehe dir an, wie’s lief!«, rufe ich, bevor er noch den Mund aufmachen kann.
»Keiner hat was gesehen. Alle saßen vor der Glotze und haben das Endspiel geguckt.«
Er wählt immer genau das richtige Timing, sage ich mir. Robinson hat er am frühen Morgen getötet, als in der Mitropoleos-Straße noch nichts los war. De Moor hat er hinter einer Bar am frühen Morgen aus dem Weg geräumt, als das Lokal schloss und rundum alles in tiefem Schlaf lag. Und jetzt bringt er Fanariotis während des wm-Endspiels um, als die ganze Welt vor den Bildschirmen sitzt. Bei Sissimopoulos war die Frage des richtigen Zeitpunkts nicht so entscheidend, da seine Villa ganz abgeschieden liegt. Sobald der Täter wusste, wie gerne Sissimopoulos in seinem Garten wandelte, war das Ganze ein Kinderspiel.
Unbeantwortet bleibt vorläufig die Frage, ob er im Alleingang handelt oder ob er Mittäter hat. Der Bankensaboteur hat mit Sicherheit Helfer, da er für die Organisation der Plakat- und Aufkleberaktionen verschiedene Mittelspersonen eingesetzt hat. Bislang sind es ein Schwarzer und ein Grieche gewesen. Mein kleiner Finger sagt mir, dass auch der Mörder Mittäter hat, doch ich habe keine Ahnung, wie er mit ihnen zusammenarbeitet und was er ihnen dafür bietet.
Es hat wenig Sinn, die Ermittlungen weiter fortzusetzen. Morgen früh will ich mit den Mitarbeitern des Inkassobüros sprechen und sehen, ob der Besitzer des nächstgelegenen Kiosks vor dem Mord irgendetwas mitbekommen hat.
»Benachrichtigt die Angehörigen, aber bringt es ihnen schonend bei«, sage ich zu Vlassopoulos.
Dann gehe ich zu Dimitriou, der seine Tätigkeit unterbrochen hat, damit Stavropoulos seine Untersuchung zu Ende führen kann.
»Können Sie schon etwas sagen?«
»Ja, zwei Dinge sind mir aufgefallen. Erstens war der Motor noch nicht an. Wahrscheinlich war das Opfer eingestiegen und wollte den Wagen gerade starten, denn der Zündschlüssel steckte im Schloss. Zweitens wurde die Fahrertür nicht gewaltsam geöffnet. Möglichkeit eins: Er hatte gerade Platz genommen und den Zündschlüssel eingesteckt, als der Mörder ihn erwischte, bevor er die Tür schließen konnte. Möglichkeit zwei: Das Opfer hat ihm aus irgendeinem Grund die Fahrertür selber geöffnet. Und Möglichkeit drei: Der Täter hat sie geöffnet, während das Opfer damit beschäftigt war, den Wagen zu starten, und hat ihn getötet, bevor er sich wehren konnte. Wenn wir fremde Fingerabdrücke am Türgriff finden, wäre das eine Bestätigung von Variante drei.«
»Kann sein, aber die Fingerabdrücke müssen nicht notgedrungen vom Täter stammen. Es könnte auch irgendeine andere Person an den Türgriff gefasst haben. Mit Sicherheit hat der Täter Handschuhe getragen, gewieft, wie er ist.«
Stavropoulos hat seine Arbeit beendet und streift seine Handschuhe ab. »Wollen Sie wissen, ob es sich um dasselbe Tatmuster handelt?«, fragt er ironisch.
»Nicht nötig.«
»Obwohl, diesmal muss seine Körperhaltung etwas anders gewesen sein, da der Hieb das Opfer
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