Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
vergleichen!«
»Doch, die schießen doch beide immer wieder Kopfbälle.«
»Tja, ich kenne auch zwei Fahrzeuge, die beide einen Motor haben. Aber kann man eine Vespa mit einem Flugzeug vergleichen?«, neckt Fanis sie.
»Ruhe jetzt, gleich gibt’s ein Tor. Ihr werdet sehen!«, brüllt Katerina. »In die Mitte flanken, Andres, in die Mitte!« Doch Andres hört nicht auf ihre Anweisungen und zielt aufs Tor. Im nächsten Augenblick zappelt der Ball im Netz, und der holländische Torhüter starrt ihm nach wie einem ungebetenen Gast.
»Toooor!«, schreien Katerina und Fanis und springen auf.
»Andres, du Fußballgott!«, ruft Katerina. »Herr im Himmel! Der eine ist ein Heiliger, der andere ein Fußballgott!«, bemerkt Adriani. »Warum spielt eigentlich die Heilige Synode keinen Fußball? Die würde jeden Pokal gewinnen.«
In den letzten Spielminuten kleben Fanis und Katerina vorm Bildschirm. Am liebsten würden sie mitspielen, um den Spaniern beizustehen. Endlich ertönt der Schlusspfiff.
Fanis führt einen Freudentanz auf. »Jajaja, wir haben den Pokal!«
»Campeones, campeones!«, skandiert Katerina.
»Was heißt das denn?«, fragt Adriani.
»Weltmeister, Mama! Wir sind Weltmeister!«, erklärt ihr Katerina und geht in die Küche.
»Sag mal«, frage ich Fanis, »stellt sich Katerina immer so an, wenn sie Fußball guckt?«
»Fußballgucken ist eine Art Rausch. Die einen werden dabei weinerlich, die anderen euphorisch. Katerina gehört in die zweite Kategorie, aber zum Glück wird sie sofort wieder nüchtern, sobald das Spiel vorbei ist.«
Katerina kehrt mit einem Glas Wasser zurück, das sie in einem Zug leert, da ihr Mund vom vielen Schreien ganz ausgetrocknet ist. Auf dem Spielfeld liegen sich die Spanier selig in den Armen, während die Holländer die Köpfe hängen lassen - ganz wie die Tulpen, für die sie früher mal berühmt waren.
Ich male mir aus, dass nun auch der Geschäftsträger der holländischen Botschaft wie eine welke Tulpe vor dem Fernseher hockt, und bin allen dankbar, die mir empfohlen haben, den Spaniern die Daumen zu drücken. In diesem Augenblick klingelt mein Handy.
»Na, Herr Kommissar, wie steht’s?«, höre ich Vlassopoulos sagen.
»Wir feiern den Sieg.«
»Leider müssen Sie die Feierlichkeiten unterbrechen.«
»Wieso?«
»Es wurde noch ein enthaupteter Toter gefunden.«
Ich stehe da wie angewurzelt, mein Handy am Ohr. »Wo?«
»In einem Auto, Ecke Samou- und Stratigou-Rongakou-Straße in Polydrosso.«
Wieso wundere ich mich eigentlich? Welcher Zeitpunkt wäre für den Mörder geeigneter als der Abend, an dem alle Athener zu Hause sitzen und das wm-Finale verfolgen?
»Gut, gib der Spurensicherung und der Gerichtsmedizin Bescheid. Ich bin schon unterwegs. Die Polizeiwache Chalandri soll zwei Streifenwagen in die Samou-Straße schicken. Sie sollen den Wagen mit einer Plane abdecken. Der Tatort wird bestimmt Aufsehen erregen.«
Als ich meiner Familie eröffne, dass ich wegmuss, weil schon wieder eine Leiche gefunden wurde, starren mich alle sprachlos an. Nur gut, dass ich wenigstens meine drei Portionen Souflaki in Ruhe essen konnte.
35
Die Strecke nach Polydrosso wirkt am Abend des wm-Finales genauso ausgestorben wie an einem Ostersamstag kurz vor der Auferstehungsfeier. Auch der Kifissias-Boulevard ähnelt einem öden Highway im Nirgendwo des amerikanischen Westens, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Da ich nicht genau weiß, wo sich die Samou-Straße befindet, schalte ich mein Navigationsgerät ein. Und, siehe da, diesmal schlägt es mir die richtige Route über den Chalandriou-Amaroussiou-Boulevard vor, und die ganze Fahrt kostet mich nur zehn Minuten.
An der Ecke Samou- und Stratigou-Rongakou-Straße ist im Gegensatz zum Rest der Stadt mächtig was los. Auf den Gehsteigen und Balkonen drängeln sich Schaulustige, Streifenwagen stehen mit heulenden Sirenen auf der Fahrbahn. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht ein mit einer Segeltuchplane abgedeckter vw-Golf. Hier, sage ich mir, gibt’s offensichtlich Spektakuläreres zu sehen als beim Endspiel. Ich schaue mich nach Vlassopoulos und Dermitsakis um. Sie unterhalten sich an der Straßenecke mit der Besatzung eines Streifenwagens.
»Wollen Sie einen Blick auf den Toten werfen?«, fragt mich Vlassopoulos.
»Weiß man schon, wer es ist?«
»Ja, er hatte seinen Personalausweis dabei, und im Hand schuhfach lag der Führerschein, beides ausgestellt auf Kyriakos Fanariotis. Nach ersten Aussagen war er in einer
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