Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Da der Hafen von Souda gesperrt ist, laufen alle Linienschiffe Rethymno statt Chania an.
Als ich um halb neun Uhr morgens in der Militärbasis ankomme, erblicke ich schon von weitem das Schiff. Und ich weiß, daß dort irgendwo, in einem Salon oder in einer Kabine, Katerina und Fanis sind - vielleicht gemeinsam, vielleicht auch getrennt, falls man Frauen und Männer auseinanderdividiert hat.
Der Fahrer des Einsatzwagens hat mir erklärt, daß ich alle dort vorfinden würde: den Minister, den Staatssekretär, Gikas und Stathakos, den Leiter der Antiterroreinheit. Doch im Einsatzraum finde ich nur die beiden letzteren vor. Gikas trägt Uniform, während Stathakos wie gewohnt in voller Montur erschienen ist. Die beiden stehen hinter den Mitarbeitern, die über eine Reihe von Bildschirmen die Außenwelt betrachten. In diesem Augenblick ist die Außenwelt auf das Format einer Fähre zusammengeschrumpft: die El Greco. Zwei Bildschirme zeigen eine vollständige Übersicht, die übrigen Teilansichten. Ein weiterer Bildschirm zeigt eine kleine, zur Militärbasis gehörige Bucht, wo die Kampfschwimmer mit ihren Schlauchbooten untergebracht sind.
Gikas und Stathakos bemerken mein Eintreten nicht, da sie gerade Panoussos' Stimme aus dem Lautsprecher lauschen, der von der Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen berichtet.
»Es gibt keine Funkverbindung, Herr Einsatzleiter«, höre ich Panoussos sagen.
»Gut, bleiben Sie dran. Wir können nur abwarten.«
»Vielleicht sollten wir folgende Erklärung im Fernsehen verbreiten: Wenn sie Frauen, Kinder und Kranke freilassen, sind wir gesprächsbereit.«
»Tun Sie Ihre Arbeit und halten Sie sich mit Vorschlägen zurück. Das ist unsere Aufgabe«, fährt ihm Stathakos über den Mund und ist drauf und dran, die Verbindung abzubrechen, als Gikas einschreitet.
»Gikas hier... Panoussos, klären Sie mich über eine Sache auf: Warum nehmen sie keinen Kontakt mit uns auf?«
»Ich glaube, sie möchten unsere Nerven strapazieren und uns in die Position des Bittstellers bringen, Herr Kriminaldirektor.«
»Das klingt überzeugend«, meint Gikas und beendet die Verbindung. Dann wendet er sich an Stathakos: »Fassen Sie den von ihm angeregten Aufruf ab und leiten Sie ihn an die Sender weiter. Wozu haben wir ihn Psychologie studieren lassen, wenn wir seine Vorschläge in den Wind schlagen?«
Stathakos' entnervter Blick spricht Bände. »Mit seiner Aussage hat er sich doch selbst widersprochen.«
»Wie denn?«
»Daß die Terroristen uns in die Position des Bittstellers zwingen wollen. Zeigen wir nicht genau das mit dem Aufruf? Unsere Schwäche?«
»Stathakos, was reden Sie da? Die haben dreihundert Geiseln auf dem Schiff in ihrer Gewalt. Glauben Sie, wir könnten uns erlauben, die Helden zu spielen?« Stathakos glaubt es nicht, und daher schweigt er. »Wir sind hier in Griechenland, wenn sich auch nur einer eine blutige Nase holt, wird man uns die ganze Verantwortung aufhalsen und an die Wand stellen. Geben Sie die Order aus, den Aufruf zu formulieren«, ergänzt Gikas und beendet die Diskussion.
Als sich Stathakos zum Gehen wendet, läuft er mir in die Arme. Mein Anblick begeistert ihn wenig, und er beschränkt sich auf ein trockenes »Ah, du auch hier?«. Seine Reaktion überrascht mich nicht, denn alle im Präsidium wissen, daß Stathakos und ich wie Hund und Katz sind. Er hält mich für einen altmodischen Bullen, der den neuen Methoden nicht das geringste abgewinnen kann, und ich betrachte ihn als Idioten, der in seiner Eigenschaft als komplexbeladener Grieche den Rambo spielt.
Gikas hat sich beim »Du auch hier?« umgewandt und blickt mich wortlos an. Ich gehe auf ihn zu und bleibe vor ihm stehen. »Wenn Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder ein Disziplinarverfahren gegen mich anstrengen«, sage ich zu ihm, »fände ich das durchaus berechtigt und nähme es Ihnen nicht übel. Aber ich kann nicht in Athen bleiben, wenn Unbekannte dort drin mein Kind in Geiselhaft halten.«
Und ich deute auf den Bildschirm mit der Fähre. Er blickt mich weiter an, nicht zornig, sondern eher traurig.
»Ich werde weder eine Dienstaufsichtsbeschwerde noch ein Disziplinarverfahren einleiten«, sagt er. »Und ich habe nicht erwartet, daß Sie in Athen bleiben würden, obwohl es mir lieber gewesen wäre. Das Spiel hier zielt darauf ab, daß wir die Nerven verlieren. Und ich weiß nicht, wie lange Sie durchhalten werden.« Er hält inne
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