Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Händedruck.
Parker ist der Meinung, jetzt habe er der Etikette Genüge getan, und meint zu uns allen dreien: »Okay, let's talk.«
Stathakos öffnet eine Tür und führt uns in einen Durchgangsraum, der durch einen rechteckigen Tisch und sechs Stühle zum Konferenzzimmer umfunktioniert wurde. An der Wand hängt eine Schultafel und daneben steht ein Fernsehbildschirm, der die El Greco zeigt.
»Well, in my opinion there is good news and bad news«, meint Parker, nachdem er von Stathakos über die neuesten Entwicklungen aufgeklärt worden ist. »Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist: Wenn es sich um Selbstmordattentäter handelte, hätten sie das Schiff schon längst in die Luft gesprengt. Folglich können wir grundsätzlich davon ausgehen, daß es sich um keine Untergruppe der al-Qaida handelt. Stimmen Sie bis hierher zu?« Er läßt seinen Blick durch die Runde schweifen und nimmt zur Kenntnis, daß wir alle drei zustimmend nicken. »Die schlechte Nachricht ist: Wir wissen nicht, wer die Entführer sind. Sie sprechen nicht, enthüllen ihre Identität nicht, liefern uns keinen Anhaltspunkt. Das ist grundsätzlich schlecht, da wir nicht wissen, worauf sie hinauswollen und wie ihre Pläne aussehen. Vielleicht haben sie eine größere Sache in Vorbereitung, sind aber noch nicht soweit.«
»Was sollten sie in Vorbereitung haben?« fragt Gikas mit gespielter Naivität. »Was auch immer sie vorbereiten, was nützt es ihnen, Zeit und Kräfte zu vergeuden, indem sie ein Schiff mit dreihundert Passagieren in ihrer Gewalt behalten?«
Parker zuckt mit den Schultern. »I wish I knew«, meint er. »Das wüßte ich auch gern. Vergessen Sie nicht, daß die Terrororganisationen in letzter Zeit eine gewisse Autonomie entwickelt haben. Folglich wissen wir nicht, welches Ziel die einzelnen Gruppierungen verfolgen. Vielleicht wählen sie in diesem Augenblick Passagiere zur Erschießung aus.«
Drei Augenpaare richten sich gleichzeitig auf mich. Ich weiß es, man sagt mir nichts Neues, keine Sekunde geht mir diese Möglichkeit aus dem Kopf. Parker berührt leicht meinen Arm.
»I'm sorry, Costas, aber wir können es nicht wissen. Aber wenn sie anfangen zu töten, kommen zuerst Amerikaner und Israelis dran. Keine Griechen.« Sein Gedanke ist logisch und der einzige Trost, der mir bleibt.
»Auf dem Schiff sind weder Amerikaner noch Israelis«, erläutert Stathakos. »Es gibt zwölf Deutsche, zehn Briten, sechs Italiener, sieben Russen und vier Holländer. Die übrigen zweihundertachtundfünfzig Passagiere sind Griechen.«
»Wenn sie mit Exekutionen beginnen, dann fangen sie mit den Briten, den Italienern und den Holländern an, die ein rotes Tuch für sie sind«, meint Gikas. »Nicht ausgeschlossen, daß sie sich nach den Erschießungen auf Verhandlungen einlassen.«
»Für mich ist es kein Zufall, daß der Anschlag vor der Militärbasis von Souda passiert ist«, erklärt Stathakos.
»How do you know?« frage ich auf englisch, um Parker miteinzubeziehen.
Stathakos wirft mir einen jener arroganten Blicke zu, die alle anderen zu Vollidioten erklären. »Was soll denn heißen: Woher weißt du das? Siehst du nicht, wo das Schiff liegt?« Und er deutet auf den Bildschirm.
»Da wir keinen Kontakt zur Fähre haben, können wir nicht wissen, wann es zu dem Anschlag kam«, erläutere ich. »Am wahrscheinlichsten ist, daß es zwischen zwei und drei Uhr morgens zu dem Übergriff kam, als die meisten Fahrgäste schliefen, um Aufsehen und Widerstand zu vermeiden. Dann haben sie möglicherweise den Kapitän gezwungen, das Schiff zur Hafeneinfahrt zu fahren.«
»Good thinking, Costas«, sagt Parker befriedigt. »Guter Gedankengang. Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit.«
Er hält inne und blickt uns nacheinander an. »Sagt Ihnen der Begriff Achille Lauro etwas?«
»Natürlich. Daran habe ich gleich gedacht. Der Anschlag ist ganz der Entführung der Achille Lauro nachempfunden«, entgegnet Gikas.
»Ist es ausgeschlossen, daß es Palästinenser sind?«
Wir blicken ihn alle drei an, doch keiner wagt als erster zu antworten. Zumindest Gikas und ich, die ihn schon in Aktion erlebt haben, wissen, daß er imstande ist, die unwahrscheinlichsten Theorien zu wälzen.
Ich erinnere mich an die Worte des Regierungssprechers und wiederhole seine Argumente, aber eher um ihn zu provozieren. »Seit Jahrzehnten gehen keine Geiselnahmen mehr auf das
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