Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
fürchte, dumm dazustehen. »Fred, könnte es sein, daß es gar keine Terroristen sind, daß sie nur so tun als ob?«
»Was sollten sie denn sein?«
»Mafiosi... Waffenhändler... Was auch immer...«
Er lacht auf. »Costas, die Mafia macht keine Spielchen. Innerhalb einer Stunde hätten die ihre Forderungen gestellt und würden jetzt schon die ersten Geiseln erschießen.«
Wahrscheinlich liegt er mit seiner Einschätzung richtig. Unter anderen Umständen wäre ich nie auf diese Idee gekommen, aber bekanntermaßen klammert sich der Ertrinkende an jeden Strohhalm.
Adriani hat den Fernseher angeschaltet und zappt durch die Sender: Auf dem einen erscheint jemand, der grundlos »Eeeh!« und »Oooh!« schreiend herumhüpft, auf dem anderen jagt der Typ wieder der jungen Frau hinterher, um ihr das Werbegeschenk für ihr Handy zu überreichen, und auf dem dritten trinkt eine Gruppe junger Leute genüßlich Kaffee-Frappe.
»Gleich nach den Nachrichten brauchst du nicht nach einer Sondersendung zu suchen«, sage ich. »Da läuft bloß Werbung. Gehen wir lieber was essen und schalten danach wieder ein.«
»Ich gehe nirgendwohin«, entgegnet sie. Ihre Hand umklammert die Fernbedienung, und ihr Blick heftet sich auf die Mattscheibe. »Appetit auf Essen! Das fehlte mir noch.«
»Eine Fasten- und Fernsehkur bringt uns Katerina auch nicht schneller wieder.«
Sie springt auf, die Fernbedienung gleitet ihr aus der Hand und kracht auf den Boden. »In diesem Augenblick setzt vielleicht jemand die Waffe an Katerinas Schläfe, und du denkst nur an deinen Hunger!« schreit sie außer sich.
»Hör auf, Katerina für tot zu erklären! Und wir gehen auch nicht zum Leichenschmaus, sondern einfach nur essen!«
Sie wirft mir einen Blick zu, als hielte sie mich für ein Monster. »Nur ein Bulle kann so denken. Nur ein Bulle spielt den harten Kerl, während das Leben seines Kindes auf dem Spiel steht.«
»Ist dir erst jetzt klar geworden, daß du mit einem Bullen verheiratet bist? Ist dir nicht aufgefallen, daß ich in Uniform zur Hochzeit erschienen bin? Ich kann doch nichts dafür, daß du dich so viele Jahre taub und blind stellst. Aber ich sage dir noch etwas: Auch Bullen beklagen Schicksalsschläge, genauso wie alle anderen auch. Weißt du, warum ich es nicht tue? Nicht etwa, weil ich den harten Kerl markieren will, wie du meinst, sondern weil ich glaube, daß ich mit Weinen und Klagen Katerinas Unglück erst heraufbeschwöre!«
Am liebsten würde ich mich aufs Bett werfen und losheulen, aber mein Bullen-Ego läßt es nicht zu, vor ihren Augen zusammenzubrechen.
Ich öffne schon die Tür, um aus dem Zimmer zu stürzen, als sie mich im letzten Moment am Ärmel zurückhält. Ich wende mich um und begegne ihrem hilfesuchenden Blick, Da löse ich meine Hand von der Türklinke und lege meinen Arm um ihre Schultern. Sie lehnt den Kopf an meine Brust, und ihr Körper wird von einem Schluchzen geschüttelt.
»Tut mir leid«, stammelt sie. »Das hätte ich nicht sagen dürfen. Ich weiß, wie sehr du Katerina liebst und wie du leidest.«
»Auch ich hätte nicht so mit dir sprechen sollen. Aber wenn wir schon in den ersten vierundzwanzig Stunden die Selbstbeherrschung verlieren, dann sind wir nach drei Tagen Fanis und Katerina überhaupt keine Hilfe mehr, weil man uns ins Krankenhaus einliefern wird.«
»Du hast recht, aber du bist ja auch ein Bulle und kennst dich in solchen Dingen aus.« Sie blickt mich an und lächelt mir unter Tränen zu.
»Gehen wir jetzt einen Happen essen?«
»Ja, eine Kleinigkeit. Mit leerem Magen kann man diese Anspannung schwer ertragen.«
* 7
Chania ist zur Stadt der Tränen geworden. Wo man auch hinblickt, liegen Menschen einander weinend in den Armen, Frauen schlagen sich klagend an die Brust, und wieder andere brechen mitten auf der Straße zusammen, während im Fernsehen ein Interview auf das andere folgt.
Wir sind ins Restaurant Karnajio gegangen, das am Alten Hafen gleich neben dem Großen Arsenal liegt. Es wurde mir vom Fahrer des Streifenwagens mit folgenden Worten empfohlen: Dort bekomme man mit Sicherheit das beste Essen in ganz Chania, wenn nicht von ganz Kreta. Vielleicht stimmt das ja, aber für mich ist Essen ein notwendiges Übel, während Adriani es aufgrund ihrer professionellen Ansprüche sowieso auswärts nie richtig genießen kann.
»Hierher hätten wir unter anderen Vorzeichen kommen
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