Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Mobiltelefon spricht. Unsere Blicke kreuzen sich, und wir wissen sofort, daß uns dieselbe Nachricht erreicht hat.
Adriani versucht, in meinem Gesicht zu lesen, und zerrt an meinem Arm. »Was ist passiert? Wenn du es mir nicht sagst, drehe ich durch!« zischt sie angsterfüllt.
Ich antworte nicht, da ich immer noch Gikas' Ausführungen zuhöre. »Wo sind Sie gerade?«
»In einer Taverne, neben dem Großen Arsenal.«
»In einer Viertelstunde holt Sie ein Streifenwagen ab.«
Ich beende das Gespräch zeitgleich mit Sotiropoulos.
»Haben wir über denselben Gegenstand gesprochen?« fragt er mich.
»Anzunehmen.«
»Soll ich Sie mitnehmen?«
»Danke, nicht nötig. Ein Streifenwagen kommt vorbei.«
Ich habe es geschafft, Adriani auf die Palme zu bringen, obwohl sie sich eisern zu beherrschen versucht. »Du quatschst mit Gott und der Welt, und mich, die es am meisten betrifft, hast du völlig abgeschrieben. Sagst du mir nun endlich, was passiert ist?«
»Die El Greco läuft aus.«
Einen Augenblick lang bleibt ihr die Spucke weg, dann stammelt sie: »Oh, mein Gott, nur das nicht! Sag, daß das Schiff nicht ausläuft!«
»Reiß dich zusammen. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten. Ich muß weg, ein Streifenwagen holt mich ab.«
»Meldest du dich?«
»Wozu denn? Dreh den Fernseher an, da kannst du alles verfolgen.« Doch sogleich wird mir mein Fauxpas bewußt, und ich versuche, die Sache wieder ins Lot zu bringen. »Wenn etwas Außergewöhnliches vorfällt, rufe ich dich auf jeden Fall an.«
Sie läßt mich stehen und läuft schnurstracks zum Hotel. Glücklicherweise ist Sotiropoulos schon weg und hat die Szene nicht mitverfolgt.
Der Streifenwagen trifft mit Verspätung ein, da er zunächst einmal Parker abgeholt hat. Parker wirft mir im Rückspiegel einen Blick zu und lächelt.
»Think positive«, sagt er. Positives Denken, ha! Parker hört sich an wie ein Rechtsverdreher: Er biegt alles so hin, wie es ihm in den Kram paßt, und am Schluß klingt alles positiv. Die Psychologie, die beim FBI gelehrt wird, hat das Niveau eines Schullesebuchs aus meiner Kindheit: »Die Sonne scheint, und die Vöglein zwitschern.« Ich aber gehöre der Schule des Rembetiko-Musikers Tsitsanis an, in dessen Liedern am Himmel stets die Wolken hängen.
»Wieso fahren sie ab? Das gefällt mir nicht.«
»Sehen wir uns mal die Tatsachen an. Let's look at the facts. Zunächst laden sie die Medikamente und die Kindernahrung ein. Zwei Stunden später beginnen sie den Anker zu lichten. Das ist im Grunde ein gutes Zeichen.«
»Wollen Sie damit sagen, weil sie sonst, wenn sie das Schiff in die Luft sprengen wollten, sich nicht die Mühe gemacht hätten, Medikamente und Kindernahrung an Bord zu nehmen?«
»Genau.«
»Warum fahren sie dann ab?«
Er zuckt mit den Schultern. »Sie fahren weg, weil sie etwas vorbereiten und dabei nicht in der Nähe der Militärbasis sein wollen.«
»Und was bereiten sie vor?« frage ich wie ein Vollidiot.
»Wenn ich das wüßte«, meint er.
Hier erstirbt auch das Gespräch, denn uns sind die Theorien ausgegangen. Daher konzentrieren wir uns auf die vor uns liegende und von den Autoscheinwerfern beleuchtete Straße. Der Fahrer hat die Sirene eingeschaltet, um sich zwischen den Kleintransportern der Fernsehkanäle, den Jeeps der Journalisten und den Autos der Angehörigen der Opfer oder auch der Schaulustigen, die morgen etwas zu erzählen haben wollen, seinen Weg zu bahnen.
All diese Gefährte drängeln sich hupend auf der Straße nach Souda, einem Boulevard griechischen Zuschnitts - einer zweispurigen Buckelpiste. Die meisten weichen auf die leere Gegenfahrbahn aus, da zu dieser Tageszeit niemand in Richtung Chania unterwegs ist.
Die Militärbasis ist hell erleuchtet. Streifenwagen und Militärfahrzeuge werden durchgewinkt, während die Medientransporter an der Pforte angehalten werden, um die Akkreditierung der Journalisten und Fernsehteams zu überprüfen. Innerhalb der Militärbasis herrscht ein genauso großes Durcheinander. Jeeps rasen durch die Gegend, so daß die Matrosen immer wieder zur Seite springen müssen. Aus dem Nichts werden verschiedene Befehle gebellt, es ist wie in einem Hollywoodfilm. Parker neben mir lächelt selig. Eine Gruppe von Journalisten steuert unter der Führung eines Marinesicherheitsmannes die Pressekonferenz an.
Die Monitore im Einsatzzentrum zeigen
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