Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Basis«, ertönt da die bekannte Stimme über die Freisprechanlage. »Herr Einsatzleiter, gerade fährt die El Greco in die Bucht von Chania ein.«
»Und wo fährt sie hin? Nach Kumkapi oder in Richtung Venezianischer Hafen?«
»Sie hält geraden Kurs, in Richtung Kolymbari.«
Gikas hebt entmutigt die Hände. »Ich verstehe gar nichts mehr!« ruft er verzweifelt.
Parker, der bislang neben mir vor den Monitoren stand und das Schiff verfolgte, tritt auf eine große Kreta-Karte zu, die sich unter den Bildschirmen befindet. Er nimmt ein Lineal und beginnt zu suchen. Wir lassen das Schiff kurz aus den Augen, und alle Blicke richten sich auf ihn, ohne daß wir begreifen, wonach er genau sucht. Das Lineal hält an einem bestimmten Punkt an, und Parker fragt: »What are these?«
»Das sind die Thodorou-Inseln«, antwortet einer der Beamten, die vor den Monitoren sitzen. »Offiziell heißen sie Ajii Theodori, aber die Einwohner von Chania nennen sie Thodorou.«
»Dorthin wollen sie«, sagt Parker. »Sie liegen Chania direkt, aber in sicherer Distanz gegenüber. Sie fahren dorthin, um in der Nähe der Stadt, aber weit genug von der Militärbasis Souda entfernt zu sein, so daß sie keinen Überraschungscoup fürchten müssen.«
Nach einer halben Stunde müssen ihm alle recht geben, und die El Greco geht vor den düsteren Umrissen der Thodorou-Inseln vor Anker.
* 8
Er heißt Igor Schaljapin, und er spricht gebrochen Griechisch, mit starkem russischen Akzent. Wie er uns wissen läßt, hat er es gelernt, als er während der Perestroika Zweiter Botschaftssekretär in der diplomatischen Vertretung der ehemaligen Sowjetunion war, was bedeutet, daß er damals kgb-Agent gewesen sein muß. Nun gibt er seinen wahren Dienstgrad an: Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation.
Er wurde uns heute morgen auf Weisung des Premierministers vom Innenministerium hergeschickt. Unserem Minister war es gar nicht recht, daß der Kollege Innenminister sich in seine Angelegenheiten einmischte, doch aufgrund der »Weisung des Premierministers« mußte er die bittere Pille schlucken.
Wir sind alle im Konferenzraum versammelt, das ganze griechisch-amerikanische »Team«. Diese Bezeichnung haben auch wir uns aufgrund der Olympiade angeeignet, nur der Minister nicht. Er akzeptiert es zwar, Schaljapin nach »Weisung des Premierministers« zu empfangen, doch nach dem obligaten Händedruck übergibt er ihn an uns und befaßt sich nicht weiter mit ihm.
Igor Schaljapin wirft einen Blick in die Runde und beginnt, auf englisch zu sprechen. Im Gegensatz zu seinem Griechisch klingt sein Englisch tadellos. Nur allzu verständlich denn Griechenland ist kein so bedeutendes Land, als daß man beim kgb Griechischunterricht für notwendig hielte.
»Könnte ich den letzten Stand der Dinge aus erster Hand erfahren, meine Herren? Mein ganzes Wissen stammt aus den Nachrichtensendungen.«
Stathakos übernimmt die Aufgabe, doch nach zehn Minuten ist schon alles gesagt. Während Schaljapin ihm lauscht, umspielt eines jener Lächeln seine Mundwinkel, die oftmals einem Wutausbruch vorangehen.
»Lassen Sie uns also zusammenfassen«, sagt der Russe, sobald Stathakos geendet hat. »Die Terroristen könnten eine Unterabteilung der al-Qaida sein, doch die Vorgangsweise, der modus operandi«, meint er und hebt das Fremdwort besonders hervor, »paßt nicht dazu. Lassen wir uns nicht in die Irre führen. Würden die Islamisten ihre übliche Taktik anwenden, hätten sie die Angelegenheit schon längst erledigt und das Schiff in die Luft gesprengt.«
»Außer, ihr Ziel ist, uns vorerst ihre Forderungen an den Kopf zu werfen und dann, wenn sie alles erreicht haben, das Schiff in die Luft zu sprengen«, bemerkt Gikas.
»Ja, aber damit riskieren sie, daß man ihr Spiel durchschaut und einen Befreiungsversuch startet - unter dem einfachen Motto: Jede überlebende Geisel ist ein gerettetes Opfer.«
»Wenn sie die Fähre nicht schon mit Sprengstoff vermint haben«, bemerkt Stathakos.
»Diese Möglichkeit besteht zwar, aber davon gehen wir erst mal nicht aus«, entgegnet Schaljapin mit einem schlauen Lächeln.
Ich würde am liebsten aufspringen und davonlaufen, doch ich bleibe sitzen. Vielleicht tue ich es aufgrund eines gewissen Masochismus, der einen dazu bringt, stets die schlimmste Nachricht zu befürchten statt auf eine gute zu hoffen.
»Nehmen wir einmal an, es wären
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