Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
wen» sich Fanis' Eltern einmischen, könnte es gar zum Familienzwist kommen.
Die klassische Reaktion der hinter mir wartenden Autofahrer beim Umspringen der Ampel auf Grün, die mit Hupen beginnt und mit »Aufwachen, he!« fortfährt, bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch ich biege nicht in den Acharnon-Boulevard rechterhand, sondern links über die Kaffantsoglou-Straße in den Galatsiou-Boulevard ein, um zum Flughafen zu fahren. Die größten Massen rollen morgens zwischen halb acht und halb zehn über den Galatsiou-Boulevard, wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Athen zu entfliehen versuchen. Nun ist es zehn, und der Verkehr fließt für Athener Verhältnisse normal dahin. In einer Viertelstunde habe ich die Attika-Ringstraße in Richtung Flughafen erreicht.
Ich lasse den Wagen auf dem Parkplatz stehen und eile schnurstracks zur Anzeigetafel. Der nächste Flug nach Chania mit Olympic Airlines fliegt um elf Uhr fünfzig. Ich atme erleichtert auf, da ich nicht stundenlang am Flughafen ausharren muß und bald in Chania sein werde. Ein Blick auf die Uhr - ich habe noch eine Stunde Zeit - sagt mir, daß ich den Flug bequem erreiche. Aber am Schalter für die Tickets stoße ich auf eine Warteschlange, die so lang ist wie die vor dem Finanzamt am Monatsende. Ich hüpfe ungeduldig von einem Bein aufs andere und blicke alle naselang auf meine Uhr. Als ich bereits auf die dritte Warteposition vorgerückt bin, klingelt mein Handy. Ich bin dermaßen sicher, daß es Adriani ist, daß ich ganz mechanisch sage: »Ich komme mit dem 12-Uhr-50-Flug. Gibt es Neuigkeiten?«
»Fliegen Sie nach Kreta, Herr Kommissar?« fragt Vlasopoulos' Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Ja Hast du nicht gehört, was passiert ist?«
»Doch«, sagt er mit der bedrückten Stimme eines Menschen, der nicht weiß, wie er sein Mitgefühl zeigen soll.
»Bis zu meiner Rückkehr übernimmst du die Ermittlungen.«
»Mach ich, aber die Ausgangslage hat sich geändert.«
»Inwiefern?«
»Wir haben noch eine Leiche gefunden.«
»Wo?«
»Im Olympischen Ruder- und Kanuzentrum in Schinias. Soviel ich von der Besatzung des Streifenwagens erfahren habe, muß auch dieses Opfer aus nächster Nähe mitten in die Stirn geschossen worden sein.«
Was ich jetzt dringend brauche, ist eine himmlische Erleuchtung.
* 19
Ich lasse den Eleftherios-Venizelos-Flughafen hinter mir und halte über die Attika-Ringstraße auf Spata zu, um bei Loutsa auf den Marathonos-Boulevard zu fahren. Seit seinem Ausbau kurz vor den Olympischen Spielen, oder besser gesagt: seit der gewaltsamen Überdehnung seiner Kapazitäten, schleppt sich der Verkehr auf dem Marathonos-Boulevard statt mit der Geschwindigkeit eines Pferdekarrens mit der eines dreirädrigen Motorkarrens dahin.
Es ist mittlerweile zwölf Uhr, die Hitze erreicht ihren Höhepunkt, und ich zittere mit allen Fasern meines Herzens um den Mirafiori, der - wie alle alten Leute - nur bei gemäßigtem Klima gut unterwegs ist. Bei Kälte friert sein Motor ein, bei Hitze läuft er heiß, und bei Regen bleibt er stehen und rührt sich keinen Fingerbreit mehr. Zum Glück läßt der Verkehr nach Nea Makri nach, und die Gefahr, daß er abstirbt, ist damit gebannt. Der Strand ist voll mit Badegästen. Die Kinder plantschen im seichten Wasser, während die Mütter unter den Sonnenschirmen Obst schälen, sicher hat ihnen irgend jemand erzählt, daß Baden gesünder ist, wenn es von Obstgenuß begleitet wird.
Ich passiere den Eingang zur Ruderregattastrecke und parke neben zwei Streifenwagen. Beim Fahrer des einen, der gerade sein Handy inspiziert, erkundige ich mich nach dem Weg zum Leichenfundort.
»Immer geradeaus, und nach den Kartenschaltern biegen Sie zu den Sitzreihen ab. Dort sind alle versammelt.«
Entlang der empfohlenen Route überquere ich zunächst einmal einen Boulevard voll Müll und Bauschutt. Nach hundert Metern gelange ich zu den Kartenschaltern, die mit ihren zerborstenen Fensterscheiben und ihrer gähnenden Leere wie verlassene Bahnwärterhäuschen wirken. Am oberen Ende der Sitzreihen hat eine Gruppe von Polizeibeamten einen Kreis gebildet. Unter ihnen kann ich Vlassopoulos und Gerichtsmediziner Stavropoulos ausmachen. Ein wenig tiefer haben sich ein paar dunkelhäutige Zuwanderer aus der dritten Welt versammelt, die sich unter Aufsicht von zwei Beamten unterhalten.
Als Vlassopoulos und Stavropoulos meine
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