Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
hinaus. Für die polizeilichen Ermittlungen kann dies bedeuten, daß Ifantidis ein ruhiger und häuslicher junger Mann war, während Koutsouvelos möglicherweise »einen leichten Lebenswandel« führte, wie man das früher in der presse und in alten griechischen Filmen nannte. Doch wir stehen vor der zweiten Erschießung innerhalb von fünf Tagen, daher spielt der Lebenswandel keine Rolle. Außer, wir haben es mit jemandem zu tun, dem die Sicherungen durchgebrannt sind, weil sein Sohn sich als homosexuell geoutet hat, und der nunmehr wahllos Schwule ermordet, um der Welt sein ungerechtes Schicksal heimzuzahlen.
Flur, Wohnraum und Küche überlasse ich dem Team der Spurensicherung. Für mich selbst habe ich Schlafzimmer und Bad reserviert, weil man dort üblicherweise die interessantesten persönlichen Gegenstände entdeckt. Doch diesmal wird diese Theorie Lügen gestraft, da ich im Bad nichts außer den üblichen Dingen vorfinde: Zahnbürste und Zahnpasta, Rasierzeug, After-shave, Deodorant und eine ganze Körperpflegeserie in Form von Schaum, Cremes und Emulsionen. Adriani kommt mir in den Sinn, die sich ihr Leben lang mit 4711 parfümiert, seit ich ihr ein Fläschchen zum Geburtstag geschenkt habe.
Der Gedanke an Adriani bringt mich auf Katerina, und um den Schauplatz zu wechseln, trete ich vom Bad ins Schlafzimmer. Mit dem ersten Blick aufs Bett stelle ich fest, daß das Bettlaken fehlt. So unordentlich Koutsouvelos auch gewesen sein mag, halte ich es doch für unwahrscheinlich, daß er ohne Laken direkt auf der Matratze geschlafen hat. Ich rufe einen Kriminaltechniker herbei und bitte ihn, danach zu suchen.
In der unteren Schublade des Nachttischchens finde ich eine provisorische Apotheke vor, spezialisiert auf Psychopharmaka, Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmittel. Da Koutsouvelos nicht durch Medikamentenmißbrauch Selbstmord begangen hat, lassen mich die Pillen kalt, und ich wende mich der zweiten Schublade zu, wo ich ein Päckchen Kondome und ein Buch mit dem Titel »Die Geheimnisse des Feng Shui« vorfinde. Die dritte Schublade wäre ein gefundenes Fressen für die Rauschgiftfahndung, da sie voller Gras ist. Die Schubladen des Kleiderschranks quellen über vor schicken Klamotten, Unterwäsche, Hemden und Schuhen. Wie es scheint, hat Koutsouvelos sein ganzes in der Werbung verdientes Geld für ebenfalls heftig beworbene Markenprodukte ausgegeben.
»Laken haben wir keins gefunden, dafür aber etwas anderes. Wollen Sie mal einen kurzen Blick darauf werfen?« fragt mich der Techniker und führt mich ins Bad zurück.
Ich frage mich mit einigem Hochmut, was ein Techniker der Spurensicherung mir an Erkenntnissen voraushaben könnte, bis ich sehe, wie er den Duschvorhang beiseite schiebt. Ich könnte mir an die Stirn schlagen, daß ich mich, wie ein Frisör, auf die Kosmetika beschränkt habe. Doch ich rechtfertige meine Nachlässigkeit damit, daß meine Geisteskraft ganz auf den Golf von Chania konzentriert ist.
»Sehen Sie hier«, meint der Techniker und deutet auf ein Loch in der Badewanne an der Seite, wo sie an die Wand grenzt.
»Sagen Sie Ihrem Chef, ich würde ihn gerne sprechen«, meine ich zum Techniker.
Palioritis kommt und bleibt neben mir stehen. »Was gibt's?«
»Zunächst einmal: Sie haben einen aufgeweckten Assistenten. Und dann: Wenn Sie die Wanne von der Wand rücken, finden Sie die Kugel.« Und ich deute auf das Loch in der Badewannenwand.
»Richtig, die finden wir sicher.«
»Und die Suche nach dem Laken können Sie seinlassen. Das hat der Mörder dazu benützt, das Opfer zur Regattastrecke zu transportieren.«
Wann wird schon jemand in der Badewanne ermordet? Nur wenn ein verwandtschaftliches oder sexuelles Verhältnis zwischen Opfer und Täter besteht. Sonst steht man nur in Kasernen und in Sportstätten gemeinsam unter der Dusche. Hatte ich im Fall Ifantidis noch Vorbehalte gehabt, ob das Opfer mit seinem Mörder eine sexuelle Beziehung hatte, so beseitigt der Mord an Koutsouvelos jeden Zweifel. Folglich haben wir es mit einem Serienmörder - im Volksmund auch »Bestie« genannt - zu tun, der sich seinen Opfern sexuell nähert, wie etwa der Lustmörder, der Prostituierte tötet, indem er ihre Dienste in Anspruch nimmt. Hätte er einen Transvestiten getötet, könnte man ihm eine Falle stellen. Aber wie soll man jemanden in eine Falle locken, der seine Opfer unter Homosexuellen auswählt, die ein ganz normales Leben führen? Soll
Weitere Kostenlose Bücher