Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
damit auch unser Martyrium so schnell wie möglich beendet werden kann.
»Und was haben Sie vor?« frage ich Arvanitakis und versuche, meine Anspannung zu verbergen.
»Was sollten wir denn tun, Kommissar? Es geht nicht nur um Ihre Tochter, sondern auch um die Drohungen, die wir erhalten. Der Minister droht, Beförderungen zu blockieren und uns in Frührente zu schicken, der Polizeipräsident droht, uns vom Dienst zu suspendieren und Disziplinarverfahren einzuleiten. Sie verstehen, daß im Vorstand Angst und Schrecken herrscht.« Er macht eine kleine Pause, begleitet von einem Seufzer. »Wir sind entschlossen, die Charta zurückzunehmen, suchen jedoch nach einer Lösung, wie wir unser Gesicht wahren können.«
Ich trete erleichtert und zuversichtlich aus Arvanitakis' Büro und schließe mich in meinem ein, um zunächst einmal Gikas anzurufen. »Arvanitakis hat mir gesagt, daß er die Antirassismus-Charta zurückziehen will«, sage ich, sobald er in der Leitung ist.
»Das überrascht mich nicht«, lautet seine wütende Antwort. »Die sind nicht ganz bei Trost. Welcher Grieche - mal ganz abgesehen von der Reaktion der Regierung, des Ministers, der Polizeiführung - würde es hinnehmen, auf der Straße von einem albanischen Bullen angehalten und nach dem Ausweis gefragt bzw. zur Überprüfung der Personalien auf die Wache mitgenommen zu werden? Wissen Sie, was mich aufregt? Daß sie selber sehr wohl wissen, daß so etwas nie eintreten wird. Keine Regierung würde das akzeptieren. Sie fordern es aus einer sicheren Position heraus, nur um gute Figur zu machen. Alles in diesem Land ist pures Theater.« Er legt außer sich vor Wut auf, zwei Minuten später meldet er sich jedoch wieder. »Wo sind Sie jetzt?« fragt er.
»In meinem Büro.«
»Machen Sie, daß Sie in mein Büro kommen. Die Journalistenmeute wird gleich aufkreuzen und Ihnen wegen Ihrer Tochter die Hölle heiß machen.«
Daran hatte ich nicht gedacht. Ich trete aus meinem Büro, und auf dem Flur rufe ich Adriani auf ihrem Handy an, um sie zu beruhigen.
»Hoffentlich hast du recht, und sie halten uns nicht zum Narren«, lautet ihre vorsichtige Antwort.
»Wer sollte uns zum Narren halten? Die Terroristen?«
»Nein, deine Kollegen. Die Journalisten hier sagen nämlich was anderes.«
»Was denn?«
Daß die Terroristen die Abfahrt aus Chania vorbereiten, mit der Fähre in internationale Gewässer vorzustoßen, damit sie bequemer in alle möglichen Richtungen erpressen können. Deshalb hätten sie auch den Kapitän und die Besatzungsmitglieder zurückbehalten.«
»Die Journalisten haben zwei große Talente: Behauptungen als Tatsachen und Lügengeschichten als Wahrheiten zu verkaufen.«
»Kann sein, aber bislang haben sich alle ihre Behauptungen bewahrheitet.«
»Welche denn?«
»Ausnahmslos alle«, entgegnet sie und legt kurzerhand auf.
* 21
Das einzig Angenehme, was Stars und Diven an sich haben ist, daß wir uns nicht mit der Feststellung ihrer Identität quälen müssen. Innerhalb einer Stunde haben wir herausgefunden, daß das Opfer Jerassimos bzw. Makis Koutsouve-los hieß und in einem Drei-Zimmer-Apartment in Thissio wohnte. Diesmal wollte ich umgekehrt vorgehen: zuerst die Wohnung nach Hinweisen durchsuchen und dann erst Sender und Agenturen abklappern.
Koutsouvelos' Apartment liegt in der letzten Etage eines dreistöckigen Wohnhauses, das unmittelbar nach dem Krieg erbaut worden sein muß. Koutsouvelos hat es renoviert, die beiden Räume linkerhand zu einem einheitlichen Wohnzimmer verbunden und das Zimmer rechterhand als Schlafzimmer genutzt. So wurde aus der Drei- eine Zwei-Zimmer-Wohnung. In ihrer Mitte liegt ein quadratischer Flur, wie es in den Bauten der damaligen Zeit üblich war. An seinem Ende liegen Bad und Küche. Eine metallene Wendeltreppe führt von der Küche auf eine kleine Terrasse mit Blumen, Hollywood-Schaukel und Sonnenschirm.
Der erste Unterschied zu Ifantidis' Wohnung liegt in der Ordnung. Ifantidis' Apartment war perfekt aufgeräumt, hier herrscht die Unordnung eines Junggesellenhaushalts. Das Bett ist nicht bezogen, im Bad liegen die Handtücher im Bidet, und in der Küche häufen sich die ungewaschenen Teller und Speisereste in Pizza- und Hamburger-Schachteln auf der Marmorablage und in der Spüle. Der zweite Unterschied liegt in der Ausstattung. Ifantidis hatte Geschmack, Koutsouvelos warf sein Geld für Sperrholzplatten und Plastik
Weitere Kostenlose Bücher