Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
selbst«, entgegnet sie, ohne ins Detail zu gehen, und ich dränge sie auch nicht dazu.
Ich fahre den Vassileos-Konstantinou-Boulevard hinunter und beim Zappion-Palais auf den Amalias-Boulevard. Katerina hat keine Lust zum Quatschen und läßt ihren Blick durch die Windschutzscheibe über die Straße schweifen. Obwohl es schon halb zehn ist, läuft der Verkehr immer noch zähflüssig. Es gelingt uns, die Panepistimiou-Straße störungsfrei entlangzufahren, doch auf dem Omonia-Platz stecken wir plötzlich mitten im Stau.
»Es ist lange her, daß ich morgens im Zentrum war«, bricht Katerina ihr Schweigen. »Sieht es immer so aus?«
»Es ist immer dasselbe, seit zwanzig Jahren, nur im August und September 2004 war's anders.«
»Wegen der Olympiade?«
»Genau. Da hatte es zwei Monate lang den Anschein, als hätte die Geburtsstunde eines neuen Griechenland geschlagen. Dann war alles wieder beim alten.«
Wir fahren den Dekelias-Boulevard hoch und gelangen zu dem kleinen Platz, wo die Konditorei Kanakis liegt. Ein Stückchen weiter finde ich einen Parkplatz, und wir suchen uns ein Tischchen unter einem Sonnenschirm. Katerina bestellt zwei Kugeln Sahneeis und ich ein Erdbeersorbet.
Beim ersten Löffel findet das Eis ihre volle Zustimmung. »Doch keine schlechte Idee, hierherzukommen.«
»Ich habe dich nicht nur zum Eisessen hierhergebracht sondern auch, weil nicht weit von hier ein Freund von mir wohnt, den du kennenlernen solltest.«
Sie blickt mich neugierig an. »War denn diese ganze Inszenierung nötig, um mir einen deiner Freunde vorzustellen?«
»Diesen Freund kennt sonst keiner. Weder deine Mutter noch meine Kollegen noch meine anderen Bekannten. Du bist die erste, die ihn kennenlernt.«
»Wie heißt er?«
»Lambros Sissis.«
»Der Name sagt mir nichts.«
»Warum auch? Ihn kennen noch weniger Leute als mich. Mein Name taucht wenigstens ab und zu in einer Nachrichtenmeldung auf, seiner aber nirgends.«
»Und warum soll ich ihn kennenlernen?«
»Wenn du ihn triffst, wirst du es verstehen.«
Sie ringt ihre Neugier nieder und konzentriert sich auf ihren Eisbecher. Nach dem Zahlen warte ich, bis sie fertig ist. Ich habe es nicht eilig, denn ich bin mir sicher, daß ich Sissis um diese Tageszeit zu Hause antreffen werde. Sobald wir am Nea-Philadelphia-Park vorbeigefahren sind, biege ich nach links ab. Ich lasse den Mirafiori in der Quergasse stehen und trete in die Ekavis-Gasse. Katerina folgt nur wortlos.
Vom Vorgarten aus sehe ich Sissis in einem Strohsessel sitzen und seinen Kaffee trinken. Die Zementplatten im Hof sind noch feucht, da er gerade gegossen hat. Wenn ich alleine komme, tut er normalerweise so, als sähe er mich nicht, und wartet, bis ich ihn anspreche. So als wären wir böse aufeinander und als erwartete er von mir den ersten Schritt zur Versöhnung. Doch nun erblickt er Katerina und reagiert überrascht. Er läßt seinen Kaffee stehen und erhebt sich, als wir die Treppe hochsteigen, die zu seiner kleinen Veranda führt.
»Ich möchte dir meine Tochter Katerina vorstellen«, sage ich und wende mich an sie. »Das ist Lambros Sissis, von dem ich dir erzählt habe.«
Katerina ist in keiner Weise anzumerken, daß sie die Tochter eines Bullen ist. Weder an der Wahl ihres Studiums noch an ihrer Sprechweise, noch an ihrer Kleidung. Das einzige Anzeichen, daß sie mit einem Bullen verwandt ist, ist ihr Gruß. Sie streckt die Hand aus und gleichzeitig beugt sie leicht den Kopf, wie es Uniformierte tun, die jemanden per Handschlag begrüßen, der mehr Tressen trägt als sie selbst. So begrüßt sie nun auch Sissis.
»Katerina hat eine schwere Zeit hinter sich«, sage ich und will ihm schon Näheres erläutern, als er mich unterbricht.
»Ich weiß. Meinst du, ich habe keinen Fernseher? Von allen Genossen ist er mir als einziger geblieben, und ich verfolge jede Sendung.«
»Ich möchte, daß du mit Katerina redest.«
»Was soll ich ihr sagen?«
»Ich weiß nicht. Katerina hat Gewalt aus nächster Nähe erlebt und steht immer noch unter Schock. Wenn sie dir von ihren Erlebnissen erzählt, wirst du die richtigen Worte finden. Die könnte ich ihr zwar auch sagen, aber ich glaube daß du bessere findest.«
Stumm nimmt er meine Worte zur Kenntnis, während der Blick Katerinas auf ihn gerichtet ist, die unserem Gespräch folgt und versucht, unser Verhältnis abzuwägen. »Ich mache einen
Weitere Kostenlose Bücher