Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
ihm eine Zigarette gab und ihn zur Heizung ließ; damit er seine Kleider trocknen konnte, weil man ihn stundenlang in ein Faß mit eiskaltem Wasser gezwungen hatte.
»Davon hat er nichts erwähnt?«
»Kein Wort. Er hat von dir erzählt, als wärt ihr alte Jugendfreunde.«
Man kann ihm die Geheimniskrämerei der Illegalität nicht mehr austreiben, sage ich mir.
»Fanis hat mit dir gesprochen, was?«
»Ja. Er hat mich gebeten, dir nichts davon zu sagen, und daran habe ich mich auch gehalten. Du hast es allein herausgefunden.«
»Mein Zustand hat ihn erschreckt«, sagt sie schuldbewußt.
»Er ist noch mehr erschrocken, als er sah, daß du anfingst, an mir zu zweifeln.«
Sie blickt mich überrascht an, und dann höre ich Katerinas altes, sorgloses Lachen. »Wie kommt er denn darauf! Niemals habe ich an dir gezweifelt. Ich habe mich nur in einem Gespräch gefragt, was dich dazu gebracht hat, einen so gewalttätigen Beruf zu wählen.«
»Ich hab ihn mir nicht ausgesucht. Zu meiner Zeit hat man den Broterwerb selten selbst gewählt. Man hat einfach den nächstliegenden Beruf ergriffen. Mein Vater war Unteroffizier bei der Gendarmerie. Er hatte nicht die Mittel, mich auf die Universität oder auf das Polytechnikum zu schicken. Die einzige Möglichkeit war die Polizeischule. Sonst hätte ich im Dorf bleiben und mein Leben lang Felder umpflügen müssen.«
»Und warum hast du Mama nichts von Sissis erzählt?«
»Deine Mama liest in mir wie in einem offenen Buch. Wir reden über alles, wir wissen alles voneinander. Irgendwann wollte ich etwas nur für mich allein haben, das sonst keiner kennt.« Blödsinn, sage ich mir, ich bin auch nicht anders als Sissis. Auch ich nehme zu verschwörerischer Geheimniskrämerei Zuflucht. Das liegt unserer Generation wohl im Blut. »Du kannst ihn besuchen, wann immer du willst.«
»Das mache ich auch ohne deine Erlaubnis«, meint sie spitzbübisch. »Ich habe seine Telefonnummer.« Nach kurzem Zögern fragt sie mich: »Kann ich auch Fanis mitbringen? Er hat mir doch, ohne es zu wollen, die Tür zu ihm geöffnet.«
»Ja, aber sag Sissis vorher Bescheid. Er hat so seine Ticks, und wenn du Fanis ohne Vorwarnung mitbringst, kann es sein, daß ihm das gar nicht in den Kram paßt.«
Sie blickt mich einen Augenblick an, dann fragt sie mich völlig unvermittelt: »Kann ich dich was fragen, Papa? Hast du Mama je betrogen?«
»Nie«, entgegne ich, ohne nachzudenken. »Ob das nun aus Liebe war oder aus griechisch-orthodoxer Bürgerlichkeit, kann ich dir nicht sagen.«
Sie hakt sich bei mir unter und sagt lachend: »Und dennoch betrügst du sie, ohne dir dessen bewußt zu sein, seit dem Tag, als man Sissis in die Bouboulinas-Straße brachte.«
* 32
Das Handy klingelt genau in dem Moment, als ich auf dem Weg in mein Büro vor dem Fahrstuhl stehe.
»Wo sind Sie, Herr Kommissar?« fragt mich Vlassopoulos' Stimme.
»Unten, ich warte auf den Fahrstuhl.«
»Kommen Sie nicht hoch. Ein Einsatzwagen holt Sie gleich ab. Wir haben noch ein Opfer, ein prominentes diesmal.«
»Wer ist es?«
»Die Journalistin Chara Jannakaki.«
»Wo wurde die Leiche gefunden?«
»In der Messojion-Straße, von einem Dutzend Autos und zwanzig Fußgängern gleichzeitig. Man hat sie in ihrem Wagen umgebracht. Erzähle ich Ihnen alles gleich persönlich.«
Soll er ruhig, nur irgend etwas paßt mir hier nicht ins Bild. Zunächst einmal ist Chara Jannakaki Journalistin. Sie moderiert eine von jenen Dudelfunk-Sendungen, die ganz Griechenland zwischen sieben und zehn Uhr morgens hört. Was hat sie mit der Werbebranche zu tun? Zweitens erinnert eine Erschießung im fahrenden Wagen, während das Opfer am Steuer sitzt, an Mafiosi oder an die Terroristen des »17. November«, nicht aber an den »Mörder des Großaktionärs«. Ich finde, daß mein Gedankengang Hand und Fuß hat, doch Vlassopoulos ist anderer Ansicht.
»Sie hören nicht viel Radio, Herr Kommissar.«
»Doch, aber nicht notwendigerweise Chara Jannakaki.
»Sonst wüßten Sie, daß sie in ihrer Sendung selbst für Produkte wirbt.« Und um es mir zu veranschaulichen, ahmt er sie nach. »Am vergangenen Wochenende waren wir im Resort >Loulis Hotel and Apartments« in Parga. Dabei handelt es sich um eine Hotelanlage der gehobenen Luxus-klasse, mit traumhaft schönen Zimmern direkt am Meer und dennoch erschwinglichen Preisen: hundertfünfzig EUro
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