Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
Decken über die holzgeschnitzten Sessel gebreitet wurden. Auf dem Tisch liegt eine alte, bestickte Decke, eine von der Sorte, die Adriani Ausrufe der Bewunderung entlockt.
Murats Blick schweift gleichgültig durchs Zimmer, dann öffnet er die Tür nach nebenan, die ins Schlafzimmer führt. Dort steht ein altes Bett mit schmiedeeisernen Verzierungen an Kopf- und Fußteil direkt an der Wand neben dem Fenster. Darauf liegt ein gehäkelter Überwurf, dem die Hälfte der Fransen fehlt. Neben dem Bett steht ein hölzernes Nachttischchen aus der Vorkriegszeit mit einer ebenso altmodischen Nachttischlampe.
»Nachdem die Polizeibeamten die Tür aufgebrochen hatten, fanden sie die Tote auf dem Bett. Sie hatte ein Hauskleid und Strümpfe an, folglich ist sie wohl nicht im Schlaf gestorben. Der Gerichtsmediziner setzt den Todeszeitpunkt zwischen Nachmittag und Abend an.«
»Wie lange lag sie schon hier?«
»Der Obduktionsbefund liegt zwar noch nicht vor, aber nach einer ersten Einschätzung tippt der Gerichtsmediziner auf achtundvierzig Stunden. Das Pflanzenschutzmittel wurde, ganz wie bei dem Fall in Griechenland, in den Überresten eines Blätterteigkuchens in der Küche gefunden. Offenbar wurde ihr übel, und sie hat sich ins Schlafzimmer geschleppt, um sich hinzulegen. Den einen Hausschuh haben wir an der Treppe gefunden, den zweiten trug sie noch am Fuß.«
»Ich würde gerne einen Blick in die Küche werfen.«
»Na dann los«, meint Murat bereitwillig und geht vor mir die Treppe wieder hinunter.
Die Küche ist geräumig, mit Blick auf einen offenen Platz hinter dem Haus, und der Kühlschrank muss aus den fünfziger Jahren stammen. Nun wird mir klar, warum mich Murat so anstandslos hierhergeführt hat. Wie es scheint, hat nach dem Abtransport des Opfers eine Reinemachefrau alles gründlich geputzt, sogar der Gasherd blitzt vor Sauberkeit.
»What was her name?«, frage ich Murat.
Er zieht einen Notizblock aus seiner Hosentasche und blättert darin. »Kalliopi Adamoglou.«
Nun gibt es nicht mehr den geringsten Zweifel an Maria Chambous Täterschaft. Kalliopi Adamoglou musste eine jener Verwandten sein, bei denen Maria untergebracht wurde, als sie in Istanbul allein zurückblieb, und die sie von klein auf arbeiten schickten. Eine Tante oder eine Cousine. Das war also der Beweggrund für ihre Rückkehr nach Istanbul. Bleibt zu hoffen, dass die Sache auf die Adamoglou beschränkt bleibt und im Verlauf der Geschichte nicht noch weitere Beweggründe hinzukommen.
Da es nichts weiter zu sehen gibt, begebe ich mich von der Küche in einen auf eigentümliche Weise zweigeteilten Raum. Die untere Ebene besteht aus einem Erker mit zwei Fenstern, von dem aus man über drei Treppenstufen eine weitere Ebene erreicht, die wiederum zwei Fenster aufweist. Die einzigen drei Einrichtungsgegenstände sind ein altes Sofa, das unter einem der Fenster steht, und zwei dem Sofa zugewandte Sessel.
»Wollen wir nicht die Nachbarin befragen?«, schlage ich Murat vor.
»Ich habe gestern mit ihr gesprochen...« Erneut zieht er den Notizblock aus seiner Hosentasche zu Rate. »Sie hat uns erzählt, die Adamoglou habe stets hier unten am Fenster gesessen und tagtäglich mit ihr geplaudert. Als sie ein paar Tage lang nicht auftauchte, hat sie sich Sorgen gemacht, ob sie vielleicht krank sei. Sie hat an ihre Tür geklopft, doch die Adamoglou hat nicht aufgemacht. Dann hat sie die Nachbarn und den Krämer gefragt, aber die hatten sie auch nicht gesehen. So ist sie aufs Revier gegangen, worauf ein Streifenwagen hergekommen ist und die Beamten die Tür aufgebrochen und die Tote gefunden haben.«
»Hat niemand die Chambou in der Nähe der Wohnung gesehen?«
Wieder sucht er Rat in seinem Zauberblock. »Die Nachbarin hat die beiden in ein Gespräch vertieft am Fenster sitzen sehen. Das hat sie neugierig gemacht, da die Adamoglou sonst nie Besuch bekam. Sie sagte immer, sie hätte keinen mehr auf der Welt. Die Nachbarin hatte vor, sie darauf anzusprechen, aber dazu war es dann zu spät.«
»Hat sie vielleicht mit jemand anderem in der Nachbarschaft darüber geredet?«
»Wir haben die anderen Nachbarn bereits befragt, den Krämer, den Gemüsehändler und den Apotheker ein Stück weiter. Sie hat den Besuch niemandem gegenüber erwähnt.«
»Hat die Adamoglou oder die Chambou vielleicht bei einem Krämer in der Nähe die Zutaten für die Käsepitta eingekauft?«
»Derjenige
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