Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
Ebene, in Bezug auf Ihren Aufenthalt in Istanbul. Sollten Sie irgendein Problem haben, rufen Sie mich an, und ich erledige das für Sie.«
Mit anderen Worten: Ich kann zwar nicht zulassen, dass du deine Nase in meine Ermittlungen steckst, aber wenn ich unter der Hand meine Beziehungen für dich spielen lassen kann, tu ich das gern. Manchmal kommt es mir vor, ich hätte Griechenland gar nicht verlassen.
Als ich den kleinen Zettel mit Murats Handynummer in meiner Hand betrachte, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Glasklar erkenne ich die Taktik, die sich Murat und sein Chef für mich zurechtgelegt haben. Sie schleppen mich von einer Vernehmung zur nächsten, und Murat verständigt sich nur auf Türkisch, ohne mich Fragen auf Griechisch stellen zu lassen. Bis ich die Schnauze gestrichen voll habe und sie allein ihre Arbeit machen lasse. Von da an halten sie mich ganz nach ihrem Gutdünken auf dem Laufenden und geben mir nur ausgewählte Informationen weiter. Wenn ich es genau bedenke, weiß ich gar nicht, warum mir diese Taktik nicht behagt. Führt sie nicht sogar zum gewünschten Ergebnis, nämlich dass ich den unbeschwerten Städtebummler mimen kann? Was habe ich daran auszusetzen, wenn sich mir so die günstige Gelegenheit zum Faulenzen bietet? Und ich gebe mir selbst die Antwort: dass man mich in beruflicher Hinsicht über den Tisch zu ziehen versucht. So etwas wirft den unbeschwertesten Feriengast aus der Bahn.
Der junge Mann an der Rezeption erklärt mir, die Mitglieder meiner Reisegruppe seien noch nicht zurück. Deshalb rufe ich Vassiliadis an und ersuche ihn um ein Treffen.
»Haben Sie was rausgekriegt?«, fragt er besorgt.
»Schön wär's, aber wie die Dinge liegen, gibt's vorläufig nur Leichen zu vermelden.«
Es ist mittlerweile ein Uhr mittags, und er gibt mir als Treffpunkt ein Restaurant an, von dessen Namen ich nur »Hatzi Abdul« behalte. »Es ist leicht zu finden«, sagt er. »Wenn Sie die Pera-Straße hinuntergehen, sehen Sie rech-terhand eine Moschee. Dort biegen Sie ein, ein paar Schritte weiter auf der linken Seite liegt das Lokal.«
Vage erinnere ich mich an eine Moschee, an der wir bei unserem Spaziergang durch die Pera-Straße vorbeigekommen waren. Nun mache ich mich zum ersten Mal ganz allein auf den Weg, nach all den Tagen, an denen man uns wie eine Herde Schafe von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten getrieben hat. Ich überquere den Taksim-Platz und tauche in das Gewühl der Pera-Straße ein. Egal, von welcher Seite man kommt, irgendwie hat man hier immer das Gefühl, man würde gleich über den Haufen gerannt, und hält sich bereit, geistesgegenwärtig beiseitezuspringen.
Zu meiner Rechten mache ich die Moschee aus, während ich quer durch einen Demonstrationszug laufe, den ich nur an den Plakaten und den Parolen als solchen erkenne, da er aus mickrigen fünfzig Teilnehmern besteht. Sie skandieren ihre Sprechchöre mit besonderer Leidenschaft, um wenigstens durch Lautstärke aufzufallen, doch ihre Mühe ist vergeblich, denn die Passanten kümmern sich nicht die Bohne um sie. Was für eine Schmach, sage ich mir. Nicht genug damit, dass es gerade eine Handvoll sind, nein, sie werden auch noch gezwungen, in der Fußgängerzone zu demonstrieren. Nicht einmal die Genugtuung bleibt ihnen, den Straßenverkehr lahmgelegt zu haben. Nicht auszudenken, was wir zu hören kriegten, wenn wir unseren Studenten, Gewerkschaftern oder Rentnern sagten, sie sollten durch die Fußgängerzone in der Eolou-Straße marschieren. Die hätten uns die Augen ausgekratzt.
Als Vassiliadis mich am Eingang des Restaurants erblickt, dessen Name sich als Haci Abdullah herausstellt, erhebt er sich, und ich gehe davon aus, dass er mich zu seinem Tisch geleiten möchte. Doch stattdessen meint er: »Kommen Sie, wir suchen uns zuerst was zu essen aus, im Anschluss können wir dann in Ruhe reden.« Und er führt mich zu einer Vitrine, in der das ganze Angebot des Lokals wie Ausstellungsstücke in einem Museum aufgereiht ist. Eines muss man den Türken lassen: Egal, ob es sich um Früchte beim Obsthändler, Speisen im Restaurant oder Objekte im Museum handelt, das gelungene Arrangement zwingt einen, davor stehen zu bleiben und hinzugucken. Schon eine ganze Weile kann ich meine Augen nicht von den in Öl gekochten Gemüsegerichten lösen.
»Möchten Sie vom Gemüse probieren?«, fragt Vassiliadis dem meine hingebungsvollen Blicke nicht entgangen sind.
»Ja, aber ich
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