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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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oder die Gabe, das Unglück herbeizureden, denn als ich den Frühstücksraum verlasse, springt Kriminalobermeister Murat aus einem Sessel hoch und eilt auf mich zu.
      »Mir wurde gesagt, Sie seien beim Frühstück, und da wollte ich nicht stören«, erklärt er mir auf Englisch.
      »What is it?«, frage ich ihn.
      Seine Antwort kommt etwas gepresst: »Könnten Sie mit zum Polizeipräsidium kommen?«
      »Haben Sie sie gefunden?«, frage ich und hoffe schon, dass ich meinen restlichen Urlaub nun unbeschwert genießen kann und darüber hinaus auch Adriani zum Schweigen bringe.
      »Nein, aber dafür eine Leiche«, entgegnet Murat.
      »Was denn für eine Leiche?«
      »An old woman. Eine alte Frau, die allein in Bakirköy lebte.«
      »Und was habe ich damit zu tun?« Ich weigere mich standhaft, mich ins Unvermeidliche zu fügen.
      »Die alte Frau war Griechin, und die Gerichtsmedizin hat in ihrem Magen die Überreste einer Pitta und Spuren desselben Pflanzenschutzmittels festgestellt.«
      Da begreife ich, dass man seinem Schicksal nicht entrinnen kann. »Einen Moment nur, damit ich meiner Frau Bescheid sagen kann.«
      Adriani hat sich an den Tisch begeben, an dem die Mouratoglou zusammen mit der Despotopoulou und der Familie Stefanakos sitzt. Offenbar interpretiert sie meine betretene Miene richtig und nickt mir zu - zum Zeichen, dass sie begriffen hat, was los ist.
      »Ich muss nur schnell mit aufs Polizeipräsidium. Es wird nicht lange dauern«, meine ich und hoffe, damit ihren Triumph im Zaum zu halten.
      »Hab ich es richtig vorhergesehen?«, bemerkt sie spöttisch.
      »Ich ruf dich an«, sage ich eilig, um ihr Genörgel zu unterbinden.
      »Na dann, bis heute Abend!«, ruft sie mir hinterher.
      Sobald mich Murat, der an der Rezeption gewartet hat, erblickt, wendet er sich eilig dem Ausgang zu. Vor dem Bürgersteig steht ein Streifenwagen.
      »Who found the old ladyf«, frage ich ihn.
      »Eine Nachbarin... Das Opfer war seit drei Tagen nicht mehr aus dem Haus gegangen. Da hat sie sich Sorgen gemacht und die Polizei verständigt.«
      »Fahren wir jetzt dorthin?«
      »First we go to the headquarters. Zunächst einmal in die Zentrale, denn wir müssen noch ein paar Fragen klären.«
      Da ich nicht weiß, worum es dabei geht, jedoch auch keine Lust habe nachzufragen, konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf die Straße.
      Wir nehmen erneut die Strecke, die wir schon auf der Rückfahrt von der Hagia Sophia gefahren waren, doch dies-mal in entgegengesetzte Richtung.
      »Fahren wir zur Hagia Sophia?«, frage ich Murat.
      »Nein, die Hagia Sophia liegt am anderen Ende. Wir fahren nach Fatih.«
      »Ich frage, weil wir über dieselbe Brücke fahren.«
      Er lacht auf. »Die Hälfte des Verkehrs zwischen den beiden Teilen Istanbuls verläuft über diese Brücke.«
      Tatsächlich biegen wir nach der Brücke nicht nach links zur Hagia Sophia ab, sondern fahren geradeaus. Was ich gestern schon beobachtet habe, stelle ich nun auch hier fest. Wir befinden uns auf einem Riesenboulevard mit kleinen Billigläden, die alles Erdenkliche feilbieten: Plastikwaren, Kleider, Eisen- und Haushaltswaren, Socken und Unterwäsche, Hygieneartikel - alles wahllos neben- und durcheinander. Ein trauriger Anblick. Hinzu kommen die engen Gässchen mit den hochaufragenden Wohnbauten, von denen man sich förmlich erschlagen fühlt.
      »Wbat's the name of the street?«, frage ich Murat.
      »Atatürk-Boulevard.«
      In Griechenland würde die Straße Eleftherios-Venizelos-Boulevard heißen, sage ich mir. Was das betrifft, passen Griechen und Türken perfekt zusammen. Beide kleben wir die Namensetiketten von Atatürk oder Venizelos auf alle erdenklichen Straßen, auf jeden Durchgang, Boulevard, Wanderweg oder Ziegenpfad.
      Murat biegt nach rechts ein, und wir fahren auf eine noch breitere Prachtstraße. »This is Adnan-Menderes-Boulevard«, meint er. »An den erinnern sich Ihre Leute sehr gut. Your people.«
      »Meine Landsleute?«
      »Die Istanbuler Griechen. Er war Premierminister, als es zu den Septemberunruhen kam.«
      »Dazu kam es nicht einfach so, die Leute wurden von ihm aufgewiegelt«, korrigiere ich ihn genervt, weil er die Dinge so schludrig darstellt. »Er hat die Krawalle im Jahr 1955 geschürt, und er hat auch die Bombe in Atatürks Geburtshaus in Thessaloniki legen lassen.«
      »Nun, wie auch immer, wir haben ihn jedenfalls

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