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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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là, là! Regarde-moi ça, ces jeunes fous!«
    Diese jungen Spinner. Damit meinte er uns.
 
    Ich erinnere mich noch an unseren allerersten Streit. Ich sage Streit, aber wenn ich es mir recht überlege, hätte schon ein Blättchen vom Ölbaumzweig der großen Bronzedame ausgereicht, um wieder Frieden zwischen uns zu stiften. Und nicht mal das brauchten wir damals.
    Es war mein Geburtstag, mein Sechsundzwanzigster, und außerdem unser einjähriges Jubiläum. Daher hatten wir uns nach der Arbeit verabredet. Wir wollten uns in dem riesigen Einkaufszentrum Les Halles treffen, mitten in Paris. Marc hatte eine neue Bar entdeckt und erklärt, das sei genau das richtige Ambiente, um meinen Geburtstag zu feiern, zusammen mit ihm, meinem Liebsten.
    An diesem morgen war ich spät dran, nur in BH und Schlüpfer saß ich im Schneidersitz in meinem Zimmer vor dem Spiegel, einen feuerwehrroten Lippenstift gezückt, der meinen Geburtstag verkünden sollte, mein Glück ... meine neue Liebe. Mit über dreißig hörte ich dann allmählich auf, solche knalligen Lippenstifte zu benutzen. Die Femme-fatale-Farben, das Blutrot und das Purpur, wurden schwächer, als würden sie in der Sonne ausbleichen. Während ich älter und reifer wurde, verblassten sie zu einem zahmen Puderrosa.
    Ja, auch die Farben wurden matt, genau wie unsere Leidenschaft ermatten sollte.
    »Sag mir, wo die Bar ist. Wir treffen uns da.«
    »Non.« Marc beugte sich zu mir und küsste mich auf den Nacken, aufs Ohr, in höchster Eile, weil er zur Arbeit musste. Sein Schlips flatterte über meiner Stirn und kitzelte mich an der Nase. »Du verläufst dich bloß. Und an deinem Geburtstag wäre das sehr schade. Je te retrouve en haut de l ' escalier, aux Halles, à la sortie , um sieben.«
    Gut, hatte ich innerlich wiederholt, während ich im Spiegel wie eine Geisha meine bemalten Lippen spitzte: unten an der Rolltreppe, beim Ausgang.
    Als Marc schon an der Tür war, drehte er sich noch einmal zu mir um, mit einem Grinsen stand er da in seinem blauen Hemd, das die Farbe seiner Augen hatte, die Farbe eines Sommerhimmels, die Farbe meiner Welt. »Dieser Lippenstift passt aber nicht zu deinem foulard!«
    »Zu meinem Schal?«, rief ich hinter ihm her. »Zu welchem Schal denn?«
    Doch Marc war schon verschwunden. Da entdeckte ich etwas im Spiegel, ein farbiges Aufleuchten, wie ein Sonnenstrahl flammte es hell im Augenwinkel auf. Ich drehte mich um, und da lag er, ausgebreitet auf den zerknitterten weißen Laken unseres ungemachten Bettes - wogender Stoff in Orange, herrlich in seiner Leuchtkraft, wie ein Stillleben: Cézannes Äpfel und Orangen.
    Sieben Uhr abends, und ausnahmsweise war ich pünktlich. Schließlich hatte ich Geburtstag. Ich war aus dem Ausgang der Metro hinausgekommen und stand unten an der Rolltreppe, so wie Marc gesagt hatte. In meinem knappen kleinen Schwarzen und dem herrlichen Schal stand ich da und erwartete ihn sehnlich - ein Geburtstagskind, das sich auf den Liebsten freut. In der Mittagspause hatte Beattie mir im Printemps einen rostroten Lippenstift ausgesucht. »Ein Geburtstagsgeschenk für dich, Schätzchen. Passend zu deinem Cowgirl-Schal«, ulkte sie.
    Aber um halb acht wartete ich immer noch, zwar weiterhin sehnsüchtig, aber auch etwas enttäuscht, weil Marc sich ausgerechnet an diesem Abend verspätete. Ich hatte mich umgeschaut, ungeduldig inzwischen, und den Schal etwas fester um meine Arme gezogen. »Viens avec nous, chérie! Il ne vient pas!«, riefen ein paar Männer. Komm mit uns, Schatz! Er kommt nicht!
    Es war nicht gerade der schönste Ort für ein Rendez-vous. Les Halles ist ein ungeheures unterirdisches Labyrinth, ein Irrgarten aus Geschäften, Kinos und Bars, die von der Metrostation darunter aus zugänglich sind. Lange, steile Rolltreppen führen über mehrere Stockwerke hinweg aus verschiedenen Winkeln des Komplexes hinauf ins Freie, sodass man sich wie in einem Bauwerk aus Schöne neue Welt vorkommt. Reihen von Gesichtern fahren aufwärts und abwärts, starren einander abweisend an, während sie aneinander vorbeigleiten. Nein, angesichts der enormen Größe und der schwierigen Orientierung waren Les Halles kein idealer Treffpunkt, und Handys waren damals noch nicht richtig en vogue. Oder hatte ich Marcs Anweisungen vielleicht falsch verstanden? Aber nein, er hatte mir gesagt, ich sollte am Ausgang unten an der Rolltreppe warten. Und das hatte ich getan, anderthalb Stunden lang. Bis zwanzig vor neun war ich natürlich auch ein

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