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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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Zettel fand, den ich ihr gestern geschrieben habe, muss sie gedacht haben, weihnachten und Ostern fielen zusammen!
    Marc tätschelt meine Schulter. »Mai, qui ... quoi?«
    »Ich weiß jetzt, wer Beatties geheimnisvoller Liebhaber ist.«
    Marc reagiert, als hätte ich ihn geschlagen, als hätte ich ihm eine kräftige Ohrfeige versetzt. Er fährt so ruckartig zurück, dass er Kaffee über sein graues T-Shirt, seine Jogginghose und seine Hand verschüttet. Er springt auf die Füße, so schnell, dass sein Stuhl umkippt und mit lautem Klappern auf den Fliesen landet.
    »Merde, Annie, es tut mir leid. Vraiment. Es tut mir wirklich leid!«
    Er hat sich zwar die Hand verbrannt, aber diese Entschuldigung scheint mir jetzt doch eine Überreaktion zu sein. »Macht ja nichts. Aber du solltest die Hand unter kaltes Wasser halten und dir vielleicht ein bisschen Eis besorgen.«
    Doch Marc hört mir nicht zu. Über mich gebeugt, gestikuliert er auf seine unerträgliche, theatralische französische Art und wiederholt, wie sehr es ihm leidtue. Ich konzentriere mich nicht richtig auf das, was er sagt, denn ich finde, jetzt macht er wirklich aus einer Mücke einen Elefanten. Er hat doch bloß ein paar Tropfen Kaffee verschüttet. Ich höre nur halb hin -
    Bis er etwas ganz merkwürdiges sagt.
    »Je n'ai jamais voulu te faire du mal.« Er murmelt vor sich hin, schwafelt zusammenhangloses Zeug. »Je n'en ai jamais eu la moindre intention.«
    Er wollte mir niemals wehtun? Er hatte nie die geringste Absicht? Was redet er da bloß?
    »Hör mal, Marc -« Ich versuche, ihn zu übertönen. Er soll sich endlich beruhigen. »Ist doch alles in Ordnung. Guck mal - ich habe gar nichts abgekriegt.«
    Aber dann bin ich plötzlich still und schaue zu ihm hoch. Gerade hat er noch etwas anderes gesagt, etwas noch Merkwürdigeres. Mir geht auf, dass er gar nicht von seinem Kaffee redet. Und als mir das endlich klar wird, hört Marc ebenfalls auf zu sprechen. Wir schweigen beide und rühren uns nicht. Auch er hat offenbar inzwischen kapiert, dass wir zwei verschiedene Dinge meinten, zwei vollkommen verschiedene Dinge.
    Mein Herz pocht schneller, es schlägt mir bis zum Hals. »Was hast du gerade gesagt?« Das Atmen fällt mir schwer.
    Marc tritt zurück, schaut auf seine Hand hinunter und reibt sie mit dem Daumen, als hätte er sich tatsächlich verbrannt. Aber ich weiß jetzt, dass seine Hand nicht das Problem ist. Ich warte. Marc sieht aus wie Charlie - wie Charlie, wenn er ein schlechtes Gewissen hat, wenn er beichten möchte, aber nicht weiß, wo er anfangen soll. Also helfe ich Marc jetzt, wie ich unserem elfjährigen Sohn helfen würde, indem ich ihm ein kleines Stichwort gebe.
    »Du hast gerade etwas -«, ich muss Luft holen, bevor ich die Worte aussprechen kann -, »etwas über Beattie gesagt.«
    Aber ich weiß es schon, bevor er es wiederholt. Ich weiß es einfach.

31
 
    F rüher gingen wir ins Tango, Marc und ich. Das war der Nachtclub in Paris, der am späten Samstagabend einfach angesagt war. Es war ein komisches Lokal: eine Höhle, ein dunkles Loch ohne Fenster, das versteckt hinter dem Centre Pompidou lag. An der verbeulten Metalltür befand sich kein Schild, aber die Graffiti sagten alles. Wir klingelten, und der Türsteher, der mit seinem zerschlagenen, müden Gesicht an eine alte Bulldogge erinnerte, musterte uns aus zusammengekniffenen Augen durch die Klappe, blinzelte, schob dann schnaufend den Riegel zurück und ließ uns hinein.
    Ich tanze liebend gern. Und im Tango ging das wunderbar - stampfende Musik, die mir laut und rhythmisch in den Ohren wummerte, und heiße, vor Schweiß klebende Leiber, die wie Seetang auf der Tanzfläche wogten. Wir alle schwebten zum gleichen Rhythmus auf dem Meeresgrund.
    Wir tanzten die ganze Nacht. Früher habe ich wahnsinnig gern mit Marc getanzt: seine Bewegungen, seine Blicke, wenn er näher kam und sich mit seinem heißen Körper an mich presste, seine Lippen auf meinem Hals, intim - wie Sex.
    Irgendwann, wenn es Morgen wurde, rutschten wir erschöpft in seinen Kastenwagen. Haut und Klamotten verströmten Tabakrauch. Während wir in die aufgehende Sonne blinzelten, dröhnten unsere Trommelfelle immer noch von der Musik, und wir sprachen lallend mit vom Alkohol brüchigen Stimmen.
    Auf Beatties Party tanzten wir nicht zusammen, obwohl ich es mir gewünscht hatte, vor allem als Billy Idol mit White Wedding loslegte und Pierre die Musik laut aufdrehte. Früher, wenn wir auf der A10 nach Westen zur

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