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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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angerufen.
    »Polizei in Bonn«, meldete sich ein Mann, der es schaffte, aus den drei Wörtern eine bönnsche Melodie zu zaubern.
    »Bitte die Mordkommission.« Das Wort ging schwer über ihre Lippen. Hinter »Mord« blieb die Zunge kurz am Gaumen hängen.
    »Welche Mordkommission hätten Sie denn jern?«
    Pilar hatte nicht gewusst, dass es mehrere gab. »Die vom Theaterabend in Röttgen.«
    » MK Theater. Wen wünschen Sie da zu sprechen?«
    »Kriminalhauptkommissarin Ahrbrück.«
    »Jitt et do jetzt eine Frau, Eddi?« Die Frage war an eine Person im Hintergrund gerichtet. Pilar hörte, wie eine Männerstimme etwas erwiderte.
    »Jot. Ich verbinde.«
    Pilars Beklommenheit verflog. Sie hatte erwartet, dass ein Bollwerk von etlichen Vorzimmern zu überwinden war, bevor man ein Mitglied der Mordkommission ans Telefon bekam. Nach wenigen Sekunden meldete sich Ahrbrücks Stimme. Pilar kam sofort zur Sache.
    »Ich habe Ihnen ja von dem Handwerkskasten erzählt, inzwischen bin ich mir sicher, dass ich das rote Messer – also die Tatwaffe – nein, da war es noch keine Tatwaffe« – Pilar musste schlucken.
    »Nicht so schnell, bitte. Was möchten Sie sagen?«, fragte die Kommissarin. »Ich nehme an, Sie sprechen vom Tatabend.«
    »Dass ich das Messer in meinen Kasten gelegt und den Deckel geschlossen hatte, bevor die Zuschauer kamen. Anschließend habe ich den Kasten unter den Tisch im Hinterzimmer geschoben, sodass er kaum zu sehen war.«
    »Verstehe ich das richtig: Sie erinnern sich auf einmal genau?«
    »Seit gestern Abend.« Pilar wusste, dass es seltsam klang. Als wäre sie nicht ganz bei Trost mit gelegentlichen lucida intervalla oder als hätte sie die neue Version erfunden.
    »Und Sie meinen den Raum hinter der Bühne.«
    »Ja.«
    »Da stand Ihr Handwerkskasten, glauben Sie.«
    »Ein gelber Kunststoffkasten mit Deckel. Eigentlich eine Pferdeputzkiste. Jemand muss das rote Messer herausgenommen haben.«
    »Frau Álvarez-Scholz, ich habe den Bericht vor mir liegen. So ein Kasten ist nicht gefunden worden. Er wurde auch von niemandem erwähnt. Ist es möglich, dass Sie sich irren? War der gelbe Kasten vielleicht bei Ihnen zu Hause?«
    Pilar verschlug es die Sprache.
    Im Hintergrund hörte sie eine Männerstimme witzeln: »Gelber Kasten, rotes Messer – die spanischen Farben!«
    Das war zu viel. Pilar legte auf. Blöde Reaktion, dachte sie im selben Moment. Sie sollte mehr Verständnis haben für die Kriminalbeamten. Die gingen sicherlich auf dem Zahnfleisch, weil sie das vergangene Wochenende hatten durcharbeiten und Dutzende von Zeugen vernehmen müssen, die nur deshalb so zahlreich waren, weil die bienenfleißige Álvarez-Scholz so viel Werbung für das verdammte Stück gemacht hatte. Wäre es im Saal nicht so voll gewesen, hätte der Mörder es schwerer gehabt. Er hatte die Situation ausgenutzt und zugleich Vorsorge getroffen, dass niemand ihn sah. Wie ging das? Auch in der Menge schaute man einander an, solange es hell war, man wusste ungefähr, wer in der Nähe stand. Doch wenn er später gekommen war, im Dunkeln …
    Warum machte sie sich so viele Gedanken? Die Polizei hatte Ermittlungsmethoden, von denen sie selbst keine Ahnung hatte. Die Beamten würden Indizien finden, die richtigen Zeugen herauspicken und Zusammenhänge aufspüren, das hatten sie gelernt. Was sie, Pilar, etwas anging, war allein die Tatsache, dass jemand ihren gelben Kasten mitgenommen hatte. Aber wann? Und wie? Ein Messer konnte man unter der Jacke verstecken, aber einen Kasten in der Größe? Es bestand natürlich die Möglichkeit, dass nicht der Mörder selbst, sondern jemand anders den Kasten aus dem Hinterzimmer geholt, dem Täter das Messer verschafft und den Kasten später irgendwo versteckt hatte.
    Wer käme in Frage? Rita? Die Küsterin hätte sicherlich niemandem ein Messer ausgehändigt, das Pilar gehörte. Oder doch? Das Bild von der fülligen Rita, wie sie sich schwerfällig über den Kasten beugte und jemandem das rote Messer reichte, wich nicht aus Pilars Kopf. Wie gut kannte sie Rita? Rechtschaffen war das Erste, das ihr zu Rita einfiel, ein Wort, das sie sonst nicht gebrauchte, aber auf Rita passte es. Doch wenn Pilar außer Reichweite gewesen wäre und jemand zu Rita gesagt hätte: »Pilar schickt mich, sie braucht ihr Messer«, wieso hätte Rita das nicht glauben sollen? Vor allem, wenn es jemand war, den sie kannte, zum Beispiel jemand aus der Gruppe?
    Pilar wählte Ritas Handynummer. Die Küsterin ging sofort dran.

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