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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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das so. Edith konnte nicht anders, zu sehr trauerte sie um das Verstreichen ihres Lebens und den Verlust der Dinge, die dazugehört hatten und ihrer Ansicht nach in diesem Hause nicht richtig geschätzt wurden.
    »Wen möchtest du denn hierhaben? Deine Mutter?« Richard grinste.
    »Ich komme gut allein zurecht.«
    Das stimmte nicht. Aber sie würde sich zu helfen wissen. Noch immer konnte sie keine Sprudelflasche aufschrauben und den Rucksackverband nicht allein an- oder ausziehen, sodass sie sich gezwungen sah, aufs Duschen zu verzichten und die Ärztin aufzusuchen, falls der Verband sich lockerte. Es gab eine Menge Dinge, die sie nicht schaffte oder aus Angst, die beiden Teile ihres Schlüsselbeins würden auseinanderdriften, lieber unterließ. Dennoch freute sie sich aufs Alleinsein. Sie würde nichts kochen, höchstens mal ein Ei, nicht staubsaugen, nirgendwo hinfahren. Sie hatte jede Menge Zeit. Eine traumhafte Woche lag vor ihr.
    Pilar trat ans Küchenfenster und sah Richard nach, wie er mit seinem kleinen schwarzen Koffer die Straße in Richtung Bushaltestelle hinunterschritt. Wenn er und die Jungens nur nicht so ein Chaos hinterlassen hätten! Zwischen sieben und acht Uhr hatten alle drei in höchster Eile ganz bestimmte Schuhe, Jacken, Schals und Handschuhe gesucht, manches vom überfüllten Garderobenständer genommen und anderes fallen gelassen, in den Schubladen der Kommode gewühlt und den Inhalt in der Diele verstreut. Lukas hatte das Schuhregal von der Wand abgerückt, weil er seinen 1.- FC -Köln-Schal vermisste, worauf sich sämtliche Schuhe in Bewegung gesetzt und am Boden verteilt hatten. Zum Aufräumen war ihnen keine Zeit geblieben, und den eiligen Ausruf »Lass alles so bis Freitag« konnte Richard nicht ernst gemeint haben.
    Im Haus gegenüber öffnete sich die Tür. Heraus schob sich der braune Pelz von Nogger.
    »Halt!«, hörte Pilar eine Frauenstimme rufen.
    An seiner roten Leine zog Nogger eine blond gelockte Frau im lindgrünen Mantel hinter sich her. Frau Fischmann. Sie also war der Ersatz, den Sylvia für Pilar gefunden hatte. Richy hatte Sylvia am Sonntagmorgen von dem Unfall erzählt, und beide hatten beschlossen, dass Pilar in den nächsten Tagen nicht mit dem Hund gehen sollte. Frau Fischmann war sicher zeitlich flexibel, weil sie im Schreibwarenladen nur als Aushilfe tätig war. Vielleicht hatte Sylvia sich zuerst an Senta gewandt, die sie seit ihrer Schulzeit kannte, und die hatte ihr geraten, die Fischmann zu fragen. Allerdings wirkte die elegante Frau nicht so, als hätte sie oft mit Hunden zu tun. Sie wischte an ihrem Mantel herum, nachdem Noggers Nase ihn berührt hatte, und stöckelte auf hohen Absätzen mit ausgestrecktem Arm hinter dem schwänzelnden Hund die Straße hinauf.
    Pilar ging ins Wohnzimmer und ließ sich auf dem Sofa nieder. Aufräumen würde sie später. Jetzt war sie zu erschöpft, die Schmerzen schienen ihre gesamte Kraft zu verschlingen. Vielleicht sollte sie Musik auflegen. Ach, nicht mal dazu konnte sie sich aufraffen. Sie schluckte eine Tablette und nahm eines der neu erschienenen Bücher zur Hand, die sie sich für heute bereitgelegt hatte. Der Kater saß unter dem Couchtisch und beobachtete sie. Den schrecklichen Kragen musste er tragen, bis die Fäden gezogen wurden, und das war erst in einer Woche vorgesehen.
    »Wir beiden Invaliden«, seufzte Pilar.
    Das Buch war der Krimi einer neuen, viel beachteten Autorin. Es ging gleich zur Sache: eine Blutspur, eine gruselige Entdeckung. Ein Kommissar mit Vergangenheit. Interessanter, knapper Stil. Dennoch – Pilar gähnte. Eine Geliebte, dann eine zweite Leiche, grausam entstellt. Ihr fielen die Augen zu. Sie las mehr als fünfzig Krimis im Jahr. Es war schwer, noch Interesse für neue Leichen aufzubringen. Obwohl Kommissarin Ahrbrück das ja auch musste … Pilar spürte, wie ihr das Kinn auf die Brust sank.
    Als sie aufwachte, las sie weiter. Der Kommissar hatte die Geliebte verlassen und sich einer neuen Flamme zugewandt. Der Stil kam ihr nicht mehr interessant vor. Die Liebesszenen waren so detailliert, dass es ihr peinlich war, dabei zu sein. Wer der Mörder war, interessierte sie kaum noch. Mit Dankbarkeit vernahm sie den Dreiklang der Haustürklingel. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Ach du Schreck – schon Nachmittag.
    »Vera!«, rief Pilar, als sie die Tür öffnete.
    Ihre Freundin und Nachbarin war heil aus Usbekistan zurück und fiel ihr um den Hals. Pilar schrie vor Schmerzen auf.
    »Oh, tut mir

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