KR068 - Ich suchte den Gangster-Chef
herzufallen. Durch Phils und meinen Spaziergang waren sie gestört worden. Dann hatten sie sicherlich gelauert, um den Gefängniswagen zu stoppen, wenn er von uns zum Untersuchungsgefängnis zurückfuhr.
Als der Gefängniswagen leer abfuhr, warteten sie auf eine neue Gelegenheit. Sie sahen, daß immer mehr G-men das Hauptquartier verließen, und entschlossen sich zu einem direkten Angriff auf uns.
Wahrscheinlich hatten sie schon früher diese Möglichkeit in Erwägung gezogen und sich Informationen über die Lage der Räume verschafft. Das war nicht sehr schwierig, denn es war ja niemandem verboten, das Gebäude des FBI zu betreten. Ich spielte mit meiner Zigarettenschachtel. Sehr schöne Überlegungen stellte ich da an, aber sie nutzten nichts mehr.
Sie hatten Mr. High gekidnappt, wir wußten nicht, was wir unternehmen sollten.
Auf einmal stand ein kleiner Junge in der Tür. Halb verschämt, halb verlegen drehte er seine schäbige Mütze in den Händen. Dieser Anblick mitten in der Nacht war ziemlich verblüffend.
»Was willst du, Bengel?« schnauzte ihn Neville an.
Der Junge wich erschrocken zurück. »Hab ’nen Brief für den G-man-Spitzel«, sagte er schüchtern. Dabei brachte er ein weißes zerknülltes Kuvert aus der Hosentasche zum Vorschein.
Ich sprang auf und riß ihm das Schreiben aus der Hand. Neville und die anderen stellten sich um mich und lasen mit:
el
An den G-man Cotton! Du hast unseren Boß hochgenommen. Dafür wirst du eines Tages bitter zahlen müssen. Zunächst aber haben wir euren Chef. Bis auf einige Kugellöcher ist er gesund. Wir schlagen euch einen Austausch vor. Laßt Pickford frei, dann lassen wir ihn laufen, ohne ihm weiter ein Haar zu krümmen. Wir rufen dich morgen an, aber wir raten euch, auf unsere Bedingungen einzugehen. Tut ihr es nicht, schicken wir euch euren Chef als Postpaket.
el Unterschrieben war der Brief nicht, aber ich hegte keinen Zweifel, daß er von Brerrik stammte. Ich ließ das Blatt sinken und nahm mir den Jungen vor.
»Sage mir, Boy, wie sah der Mann aus, der dir den Brief gab?«
Er beschrieb mit Brerrik genau. Anscheinend hatte er nach Pickfords Ausfall die Führung der Bande übernommen. Ich hatte das schon nach dem Telefongespräch vermutet.
»Wo haben sie dir den Brief gegeben?« forschte ich weiter.
»Am Thrill Place. Sie kamen mit einer ganzen Autokolonne an. Der erste Wagen stoppte einen Augenblick. Der Mann, den ich Ihnen beschrieb, stieg aus, winkte mir, gab mir den Brief und sagte mir, ich soll ihn Ihnen bringen. Sie würden mir sicherlich ’nen Dollar geben. Es wäre eine wichtige Sache.«
»In Ordnung, den Dollar bekommst du. Weißt du, was für Wagen es waren?«
»Der, der hielt, war ein Cadillac. Bei den anderen waren zwei Fords und, glaube ich, ein Mercury.«
Neville gab sofort einen neuen Rundspruch durch und nannte die Automarken, die die Gangster fuhren.
Ich gab dem Jungen eine Fünfdollarnote. Er stieß einen Freudenschrei aus. »Oh, tausend Dank, Mister!« Dann verschwand er.
Neville und die anderen sahen mich erwartungsvoll an.
»Mr. High lebt also noch«, stellte ich fest. »Sie wollen ihn gegen Pickford austauschen. Folglich werden sie sich hüten, ihm vorläufig ein Haar zu krümmen.«
»Was willst du tun, Jerry?« fragte Neville. »Ich für meine Person könnte mich ohrfeigen, daß wir Pickford schon den Cops und dem Untersuchungsgefängnis übergeben haben. Keine Chance mehr für uns, den Chef aus dieser scheußlichen Patsche zu holen. Wenn sie morgen anrufen, und wir müssen den Tausch ablehnen, ist er zehn Minuten später tot. Ich werde verrückt, wenn ich daran denke!« brüllte er los.
»Beruhige dich, Neville«, tröstete ich ihn, »noch ist nicht alles verloren. Wir könnten zum Beispiel unter dem Vorwand, er müsse noch einmal verhört werden, Pickford aus dem Gefängnis holen und den Austausch akzeptieren…«
»Verdammt, dann tu das doch!« schrie Neville dazwischen.
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Neville«, sagte ich ruhig, »du kennst Mr. High viel länger als ich. Glaubst du, es wäre in seinem Sinn, wenn wir einen Verbrecher wieder laufenlassen, damit er freikommt? Ich habe nicht vergessen, daß er bei meinem Eintritt in diesen Verein zu mir sagte, wir dürften nichts, nicht einmal unser Leben, so hoch schätzen wie die Gerechtigkeit. Glaubst du, er möchte für seine Person von seiner eigenen Meinung eine Ausnahme gemacht wissen? Oder glaubst du vielleicht, er fände es der Gerechtigkeit
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