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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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Glut weg das Mal auf die Stirne. Ich werde dir vorsprechen, was du zu sagen hast  … «
    Krabat tat, wie der Altgesell ihn geheißen hatte. Während die beiden sich gegenseitig den Drudenfuß auf die Stirn schrieben, sprach er ihm langsam nach:
     
»Ich zeichne dich, Bruder,
Mit Kohle vom Holzkreuz –
Ich zeichne dich
Mit dem Mal der Geheimen
Bruderschaft.«
     
    Dann tauschten sie miteinander den Osterkuss linksherum, scharrten Sand auf die Feuerstelle, verstreuten das übrige Holz und traten den Heimweg an.
     
    Wieder schlug Tonda den Pfad durch die Felder ein, außen am Dorf entlang, auf den von Morgennebeln verschleierten Wald zu – da tauchten vor ihnen die Umrisse schattenhafter Gestalten im Frühlicht auf. Lautlos, in langer Reihe kamen die Mädchen des Dorfes ihnen entgegen: dunkle Tücher um Kopf und Schultern, jede mit einem irdenen Wasserkrug.
    »Komm«, sagte Tonda leise zu Krabat, »sie haben das Osterwasser geholt, wir wollen sie nicht erschrecken  … «
    Sie duckten sich in den Schatten der nächsten Hecke und ließen die Mädchen vorüberziehen.
    Das Osterwasser, der Junge wusste es, musste man schweigend am Ostermorgen vor Sonnenaufgang aus einer Quelle schöpfen und schweigend nach Hause tragen. Wenn man sich darin wusch, erwarb man sich Schönheit und Glück für ein ganzes Jahr – so wenigstens sagten die Mädchen.
    Und außerdem konnte man, wenn man das Osterwasser ins Dorf trug ohne sich dabei umzuschauen, dem künftigen Liebsten begegnen: das sagten die Mädchen auch – und wer weiß, was davon zu halten war.

 
    Der Meister hatte ein Ochsenjoch vor der geöffneten Haustür angebracht, in Schulterhöhe war es mit beiden Enden am Türstock festgenagelt. Als die Burschen zurückkamen, mussten sie einzeln darunter hindurchgehen, mit den Worten: »Ich beuge mich unter das Joch der Geheimen Bruderschaft.«
    Im Hausflur erwartete sie der Meister. Jedem von ihnen versetzte er einen Backenstreich auf die rechte Wange, wobei er ihm zurief: »Gedenke, dass du ein Schüler bist!«
    Dann schlug er ihn auf die linke Wange und fügte hinzu: »Gedenke, dass ich der Meister bin!«
    Nun musste der Knappe sich dreimal tief vor dem Müller verneigen und ihm geloben: »Ich werde dir, Meister, in allen Dingen gehorsam sein, jetzt und immerdar.«
    Auch Tonda und Krabat wurden auf diese Weise empfangen. Noch ahnte der Junge nicht, dass er dem Meister von nun an verfallen war, ausgeliefert mit Leib und Seele, auf Tod und Leben, mit Haut und Haar. Er gesellte sich zu den anderen Mühlknappen, die im hinteren Teil des Ganges standen und auf die Morgengrütze zu warten schienen – alle, wie Tonda und er, mit dem Drudenfuß auf der Stirn.
    Es fehlten noch Petar und Lyschko.
    Auch sie tauchten bald an der Haustür auf und nachdem sie sich unter das Joch gebeugt, die Backenstreiche empfangen und das Gelöbnis abgelegt hatten, lief mit Lärm und Gepolter die Mühle an.
    »Los!«, rief der Meister den Knappen zu. »An die Arbeit!«
    Da warfen die Müllerburschen die Röcke ab; sich im Laufen die Hemdsärmel aufkrempelnd, rannten sie in die Mahlstube, schleppten Getreide herzu und begannen draufloszumahlen, vom Meister durch Zuruf und ungeduldiges Fuchteln in Trab gehalten.
    »Und dies«, dachte Krabat, »nennt sich nun Ostersonntag! Die Nacht nicht geschlafen, kein Frühstück im Bauch – aber schuften müssen für drei!«
    Selbst Tonda geriet mit der Zeit außer Atem und fing zu schwitzen an. Schwitzen mussten sie alle an diesem Morgen, das troff von der Stirn und den Schläfen, das rann in den Nacken, das strömte den Buckel hinunter, dass ihnen die Hemden am Leib klebten und die Hosen dazu.
    »Wie lange noch soll das so weitergehen?«, fragte sich Krabat.
    Verbissene Mienen, wohin er schaut. Alles hechelt und stöhnt, alles trieft und dampft. Und die Drudenfüße auf ihren Stirnen verwischen sich mehr und mehr, lösen sich auf im Schweiß, werden langsam ausgelöscht.
    Dann geschieht etwas Unerwartetes.
    Krabat, mit einem Sack Weizen beladen, quält sich die Staffeln zur Bühne hinauf. Es kostet ihn seine letzte Kraft, seinen ganzen Willen. Gleich wird er straucheln, gleich unter der Last zusammenbrechen – da plötzlich ist es mit aller Mühsal vorbei: Der Krampf in den Beinen ist weg, die Kreuzschmerzen haben aufgehört, auch beim Atmen hat er nun keine Beschwerden mehr.
    »Tonda!«, ruft er. »Sieh her!«
    Mit einem Satz ist er auf der Bühne, dann kippt er den Sack von der Schulter, erwischt
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