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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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her, wegen nichts und wieder nichts. Außerdem war er, das durfte er nicht vergessen, der Lehrjunge hier – und als Lehrjunge musste man eben was einstecken dann und wann. Seltsam nur, dass er das früher niemals zu spüren bekommen hatte. Erst jetzt, seit es Winter geworden war, hackten sie alle auf ihm herum. Sollte das für den Rest der Lehrzeit so weitergehen – zwei volle Jahre noch?
    Bei Gelegenheit fragte Krabat den Altgesellen, was mit den Burschen los sei. »Was haben die?«
    »Angst«, meinte Tonda und blickte an ihm vorbei.
    »Angst wovor?«, wollte Krabat wissen.
    »Ich darf nicht darüber sprechen«, sagte der Altgesell. »Früh genug wirst du es erfahren.«
    »Und du?«, fragte Krabat. »Du, Tonda, hast keine Angst?«
    »Mehr als du ahnst«, sagte Tonda mit einem Achselzucken.
     
    Am Silvesterabend gingen sie früher als sonst zu Bett. Der Meister hatte sich während des ganzen Tages nicht blicken lassen. Vielleicht saß er in der Schwarzen Kammer und hatte sich eingeschlossen, wie er das manchmal tat – oder er war mit dem Pferdeschlitten über Land gefahren. Niemand vermisste ihn, keiner sprach von ihm.
    Wortlos verkrochen die Burschen sich nach dem Abendbrot auf die Strohsäcke. »Gute Nacht«, sagte Krabat wie jeden Abend, weil es sich für den Lehrjungen so gehörte.
    Heute schienen ihm die Gesellen das übel zu nehmen. »Halt’s Maul!«, fauchte Petar und Lyschko warf einen Schuh nach ihm.
    »Öha!«, rief Krabat, vom Strohsack hochschnellend. »Immer sachte! Man wird doch wohl Gute Nacht sagen dürfen  … «
    Ein zweiter Schuh kam geflogen, er streifte ihn an der Schulter; den dritten fing Tonda ab.
    »Lasst den Jungen in Frieden!«, gebot er. »Auch diese Nacht wird vorübergehen.«
    Dann wandte er sich an Krabat. »Du solltest dich hinlegen, Junge, und still sein.«
    Krabat gehorchte. Er ließ es geschehen, dass Tonda ihn zudeckte und ihm die Hand auf die Stirn legte.
    »Schlaf du nun, Krabat – und komm gut hinüber ins neue Jahr!«
     
    Für gewöhnlich schlief Krabat die Nächte durch bis zum nächsten Morgen, es sei denn, man weckte ihn. Heute erwachte er gegen Mitternacht ganz von selber. Es wunderte ihn, dass das Licht in der Lampe brannte und dass auch die anderen Burschen wach waren – alle, soweit er es übersehen konnte.
    Sie lagen auf ihren Pritschen und schienen auf etwas zu warten. Kaum dass sie atmeten, kaum dass sich einer zu rühren wagte.
    Im Haus war es totenstill – so still, dass der Junge sich vorkam, als sei er taub geworden.
    Aber er war nicht taub, denn mit einem Mal hörte er dann den Schrei – und das Poltern im Hausflur – und wie die Gesellen aufstöhnten: halb entsetzt, halb befreit.
    War ein Unglück geschehen?
    Wer war es, der da geschrien hatte in höchster Todesnot?
    Krabat besann sich nicht lange. Mit einem Satz war er auf den Beinen. Er rannte zur Bodentür, wollte sie aufreißen, wollte die Treppe hinuntereilen, um nachzusehen.
    Die Tür war von draußen verriegelt. Sie ließ sich nicht öffnen, so wild er auch daran rüttelte.
    Jemand legte ihm dann den Arm um die Schulter und sprach ihn an. Es war Juro, der dumme Juro, Krabat erkannte ihn an der Stimme.
    »Komm«, sagte Juro. »Leg dich jetzt wieder auf deinen Strohsack.«
    »Aber der Schrei!«, keuchte Krabat. »Der Aufschrei vorhin!«
    »Meinst du«, erwiderte Juro, »wir hätten ihn nicht gehört?«
    Damit führte er Krabat an seinen Platz zurück.
    Die Mühlknappen hockten auf ihren Pritschen. Schweigend, mit großen Augen starrten sie Krabat an. Nein – nicht Krabat!
    Sie starrten an ihm vorbei, auf den Schlafplatz des Altgesellen.
    »Ist – Tonda nicht da?«, fragte Krabat.
    »Nein«, sagte Juro. »Leg dich jetzt wieder hin und versuch zu schlafen. Und heul nicht, hörst du! Mit Heulen macht man nichts ungeschehen.«
     
    Am Neujahrsmorgen fanden sie Tonda. Mit dem Gesicht nach unten lag er am Fuß der Bodenstiege. Die Mühlknappen schienen nicht überrascht zu sein; nur Krabat vermochte es nicht zu fassen, dass Tonda tot war. Schluchzend warf er sich über ihn, rief ihn beim Namen und bettelte: »Sag doch was, Tonda, sag doch was!«
    Er griff nach der Hand des Toten. Gestern noch hatte er sie gespürt, auf der Stirn, vor dem Einschlafen. Jetzt war sie starr und kalt. Und sehr fremd war sie ihm geworden, sehr fremd.
    »Steh auf«, sagte Michal. »Wir können ihn hier nicht liegen lassen.«
    Er und sein Vetter Merten trugen den Toten in die Gesindestube und legten ihn
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