Krabat (German Edition)
Brot und Schinken auf, Rauchfleisch und Käse, Gurken und Essigzwiebeln. Dann brachte er aus dem Keller einen Krug Rotwein herauf.
»Zu sauer«, meinte der Fremde, nachdem er davon gekostet hatte. »Hol mir was aus dem kleinen Fass, das rechts hinten im Eck steht! Du hast es dir für besondere Anlässe aufgehoben – dies ist ein besonderer Anlass.«
Der Meister fügte sich zähneknirschend. Er hatte den Zweikampf verloren, er musste kuschen.
Der Fremde verzehrte in aller Ruhe das Mahl, der Meister und die Gesellen schauten ihm dabei zu. Sie standen wie angewurzelt an ihren Plätzen und kamen mit ihren Blicken nicht los von ihm. Endlich schob er den Teller weg, wischte sich mit dem Ärmel die Lippen und meinte: »Ah, das hat gut geschmeckt – und schön reichlich ist’s auch gewesen … Zum Wohlsein, Brüder!« Er schwenkte den Becher und trank den Gesellen zu. »Du aber«, riet er dem Meister, »solltest in Zukunft genauer hinsehen, ehe du einem Fremden die Tür weist – das lass dir von Pumphutt gesagt sein!«
Damit erhob er sich, griff nach Handbeil und Reisebündel und ging aus der Mühle. Krabat und die Gesellen drängten ihm nach, den Meister allein zurücklassend.
Draußen hatte sich das Gewitter verzogen, die Sonne stand über dem dampfenden Koselbruch, die Luft schmeckte frisch wie Brunnenwasser.
Pumphutt ging seines Weges, ohne sich umzublicken. Quer durch die nassen Wiesen schritt er dem Wald zu und pfiff sich eins. Ein paarmal blinkte sein goldener Ohrring auf in der Sonne.
»Hab ich’s euch nicht gesagt?«, meinte Andrusch. »Wer es mit Pumphutt zu tun kriegt, merkt immer erst hinterher, dass es ihm besser bekommen wäre, hätte er’s gleich gemerkt … «
Drei Tage und Nächte lang schloss der Müller sich in der Schwarzen Kammer ein. Die Mühlknappen schlichen auf Zehenspitzen durchs Haus. Sie waren dabei gewesen, als Pumphutt den Meister im Zauberkampf überwunden hatte; sie konnten sich ausrechnen, dass ihnen schlechte Zeiten bevorstanden.
Am Abend des vierten Tages war es so weit. Der Meister erschien unterm Abendbrot in der Gesindestube und holte sie von den Schüsseln weg. »An die Arbeit!« Er musste getrunken haben, sie rochen es gegen den Wind. Hohlwangig stand er vor ihnen, bleich wie der Tod, das Gesicht voll Bartstoppeln.
»Seid ihr noch nicht in der Mahlstube, muss ich euch Beine machen? Los, lasst die Mühle anlaufen, schüttet Korn auf! Wir mahlen auf allen Gängen – und wehe euch, wenn mir einer trödelt!«
Die ganze Nacht lang mussten die Burschen sich in der Mühle abrackern. Unbarmherzig trieb sie der Meister zur Eile an. Schreiend und fluchend jagte er sie umher, stieß Verwünschungen aus, drohte Strafen an, ließ sie kaum zur Besinnung kommen. Es gab keine Pause während der ganzen Nacht, keinen Augenblick zum Verschnaufen.
Als endlich der Morgen graute, waren die Burschen zum Umfallen müde. Sie kamen sich vor, als habe man ihnen die Knochen im Leib mit Knüppeln zerschlagen, und keiner, der nicht nach Atem rang. Der Meister schickte sie auf die Pritschen, sie sollten sich ausruhen.
Tagsüber ließ er sie völlig in Frieden, aber am Abend fing alles wieder von vorne an. So ging das nun Nacht für Nacht. Wenn es dunkelte, trieb der Meister sie in die Mahlstube und dann mussten sie schuften, beschimpft und verhöhnt und herumgehetzt bis zum Morgengrauen des neuen Tages.
Nur in den Nächten von Freitag auf Samstag brauchten sie nicht zu arbeiten, weil der Unterricht an den Freitagabenden weiterhin stattfand. Bloß waren die Burschen so müde, dass sie sich, wenn sie in Rabengestalt auf der Stange hockten, kaum wach zu halten vermochten, und manche schliefen sogar vor Erschöpfung ein.
Der Meister scherte sich nicht darum. Was und wie viel sie lernten, war ihre Sache. Nur einmal, als Witko im Schlaf von der Stange plumpste, konnte er nicht umhin ihn zu tadeln.
Von allen Burschen war Witko am schlimmsten dran, weil er noch im Wachsen war. Ihm setzte die nächtliche Arbeit am meisten zu. Michal und Merten versuchten zwar, sich des Jungen anzunehmen; auch Hanzo, Krabat und Staschko gingen ihm, wo es sich machen ließ, bei der Arbeit zur Hand – doch der Meister war überall und dem Blick seines einen Auges entging nur wenig.
Von Pumphutt war niemals die Rede. Trotzdem wussten die Burschen, dass sie der Meister bestrafte, weil sie bei seiner Niederlage zugegen gewesen waren.
So ging das nun wochenlang bis zur ersten Neumondnacht im September.
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