Krabat (German Edition)
Der mit der Hahnenfeder kam vorgefahren wie immer, die Burschen machten sich an die Arbeit, der Meister erklomm den Kutschbock. Er griff sich die Peitsche, er ließ sie schnalzen. Schweigend rannten die Knappen mit ihren Säcken vom Wagen zur Mahlstube, kippten das Zeug in die Schütte des Toten Ganges und eilten zurück zum Wagen. Alles lief ab, wie es stets in den Neumondnächten zu laufen pflegte, um einiges mühsamer freilich – und später dann, um die Wende der zweiten Morgenstunde, geschah es, dass Witko nicht weiterkonnte. Beladen mit einem der letzten Säcke begann er zu torkeln und brach zusammen, auf halbem Weg zwischen Fuhrwerk und Mahlstube. Keuchend lag er im Gras, das Gesicht nach unten. Michal drehte ihn auf den Rücken, er riss ihm das Hemd auf.
»Heda!« Der Meister war aufgesprungen. »Was soll das!«
»Da fragst du noch?« Michal, sich aufrichtend, brach das sonst in den Neumondnächten gewahrte Schweigen. »Wochenlang hast du uns Nacht für Nacht schuften lassen – wie soll das der Junge durchhalten?«
»Kusch!«, rief der Meister. Er schlug mit der Peitsche nach Michal, die Schwippe ringelte sich um dessen Hals.
»Lass das bleiben!«
Zum ersten Mal hörte Krabat den Fremden sprechen. Es war eine Stimme wie glühende Kohlen und klirrender Frost in einem. Er spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken hinablief, während er gleichzeitig das Gefühl hatte, mitten in einem lichterloh brennenden Feuer zu stehen.
Der mit der Hahnenfeder bedeutete Michal mit einer Handbewegung, Witko beiseitezuschaffen; dann nahm er dem Meister die Peitsche weg und stieß ihn vom Wagen.
Anstelle des Jungen, den Michal zu Bett brachte, musste der Müller nun für den Rest der Nacht mit den Burschen arbeiten, wie er’s sonst nur in der Zeit zwischen Neujahr und Ostern zu tun gezwungen war – und die Mühlknappen gönnten ihm das.
Vom nächsten Tag an hatten die Burschen Ruhe. Nur der Striemen an Michals Hals erinnerte noch daran, dass der Meister sie wochenlang Nacht für Nacht kujoniert hatte. Neuerdings durften sie wieder bei Tageslicht ihrer Arbeit nachgehen, was ihnen wenig Mühe verursachte, und am Feierabend war Schluss. Da konnten sie tun und lassen, was ihnen gefiel: Maultrommel spielen, Geschichten erzählen und Löffel schnitzen. Alles war, wie es früher gewesen war. Die Blasen an ihren Händen trockneten ein, die wunden Stellen auf Brust und Rücken waren bald abgeheilt. Nun lernten sie wieder eifrig und mit Gewinn, wenn der Müller ihnen am Freitagabend aus dem Koraktor vorlas; und wenn er sie abfragte, war es zumeist nur Juro, der stecken blieb und nicht weiterwusste – aber das war ja die alte Leier mit ihm.
Ein paar Tage nach Michaeli ergab es sich dann, dass Petar und Krabat vom Meister nach Hoyerswerda geschickt wurden, um ein Fass Salz zu holen und allerlei Küchenkram. Der Müller ließ niemals einen der Burschen einzeln weg. Galt es auswärts was zu erledigen, schickte er mindestens zwei gemeinsam aus und er mochte wohl seine Gründe haben dafür – oder seine Vorschriften.
Im Morgengrauen fuhren die beiden los, auf dem Leiterwagen, die Braunen vorgespannt. Es war neblig im Koselbruch. Als sie den Wald hinter sich hatten, ging die Sonne auf, der Nebel zerfloss am Boden.
Schwarzkollm lag vor ihnen.
Krabat hoffte darauf, die Kantorka sehen zu können. Während sie durch das Dorf fuhren, hielt er Ausschau nach ihr – vergebens. Bei den Mädchen, die schwatzend mit ihren Wassereimern am unteren Brunnen standen, befand sie sich nicht und am oberen Brunnen auch nicht. Auch sonst war sie nirgends zu sehen an diesem Morgen.
Krabat war traurig, er hätte sie gern einmal wiedergesehen, es war ja schon lange her seit der Osternacht.
»Ob ich am Nachmittag Glück habe, wenn wir heimfahren?«, dachte er. Vielleicht war es besser, wenn er sich keine Hoffnung machte: dann brauchte er hinterher nicht enttäuscht zu sein.
Am Nachmittag, als sie mit ihrem Fass Salz und dem anderen Krimskrams von Hoyerswerda zurückfuhren, fügte sich’s aber doch, dass sein Wunsch in Erfüllung ging. Da stand sie, umgeben von einer gackernden Hühnerschar, unweit des unteren Dorfbrunnens, eine Strohschüssel in der Hand und streute den Hühnern Futter hin. »Putt-putt-putt! Putt-putt-putt!«
Krabat erkannte sie auf den ersten Blick. Er nickte ihr im Vorbeifahren zu, ganz beiläufig, da ja Petar nichts merken durfte.
Die Kantorka nickte ebenso beiläufig wieder zurück, freundlich zwar, wie man
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