Krabat (German Edition)
Krabat träge. »Gleich links, wenn du in den Flur kommst, die erste Tür: sie ist nicht zu verfehlen.«
Der Fremde betrachtete Krabat mit spöttischem Lächeln.
»Tu, was ich sage, Bruder, und führe mich hin zu ihm!«
Krabat spürte, dass eine gewaltige Kraft von dem Fremden ausging. Sie zwang ihn, sich zu erheben und ihm den Weg zu weisen, wie er’s von ihm verlangt hatte.
Der Müller saß in der Meisterstube, am oberen Ende des Tisches. Unwillig blickte er auf, als Krabat den fremden Burschen hereinführte; den aber schien das nicht weiter anzufechten.
»Mit Gunst!«, rief er, seinen Hut lüpfend. »Ich entbiete dir, Meister, den Gruß und erheische nach Zunftgebrauch Wegzehrung und Quartier für die Nacht.«
Der Meister wies ihm mit seinen üblichen Redensarten die Tür, der Fremde scherte sich nicht darum.
»Das mit den Hunden«, sagte er, »kannst du dir sparen – ich weiß, dass du keine hast. Du erlaubst doch?«
Er setzte sich ohne weitere Umstände auf den Stuhl, der am unteren Ende des Tisches stand.
Krabat begriff die Welt nicht mehr. Wie konnte der Meister sich das gefallen lassen! Er hätte doch aufspringen, hätte den Fremden davonjagen müssen, ihn notfalls zur Mühle hinausprügeln … Warum tat er nichts?
Wortlos saßen die beiden Männer sich gegenüber und starrten sich über den Tisch weg an, voller Ingrimm, als wollten sie jeden Augenblick mit gezücktem Messer dem anderen an die Kehle.
Draußen grollte der erste Donner: weit weg noch, ein dumpfes Gemurmel, kaum wahrnehmbar.
Da kam Hanzo zur Tür herein, dann Michal, dann Merten. Ein Müllerbursch um den andern betrat die Meisterstube, bis alle versammelt waren. Sie hätten mit einem Mal das Verlangen gehabt, nach dem Meister zu sehen, sagten sie später – ganz zufällig hatte es jeden gepackt und hierher geführt …
Das Gewitter kam näher, ein Windstoß machte die Fenster klirren, ein Blitz zuckte auf. Der Fremde spitzte die Lippen, dann spuckte er auf den Tisch. An der Stelle, wohin er gespuckt hatte, saß eine rote Maus.
»Jetzt, Müller, spuck du dagegen an!«
Der Meister spie eine schwarze Maus auf den Tisch, sie war einäugig wie er selbst. Die Mäuse umkreisten einander auf flinken Pfoten, eine versuchte die andere in den Schwanz zu beißen: die rote die schwarze, die schwarze die rote. Schon setzte die schwarze zum Biss an – da schnalzte der fremde Bursch mit den Fingern.
Dort, wo die rote Maus sich geduckt hatte, duckte sich nun ein roter Kater, zum Sprung bereit. Augenblicklich verwandelte auch die schwarze Maus sich in einen Kater, schwarz und einäugig. Fauchend, mit drohend gezückten Krallen gingen die zwei aufeinander los.
Tatzenhieb, Biss und Tatzenhieb!
Der rote Kater hatte es auf das eine Auge des schwarzen abgesehen. Kreischend stürzte er auf ihn zu. Es fehlte nicht viel, da hätte er ihm das Auge ausgekratzt.
Diesmal war es der Meister, der mit den Fingern schnalzte. Da saß an der Stelle des schwarzen Katers plötzlich ein schwarzer Gockel. Flügelschlagend, mit Schnabel und Klauen wütend um sich hackend, griff er an, dass der rote Kater entsetzt zurückwich – aber nicht weit, denn nun schnalzte der Müllerbursch mit den Fingern.
Zwei Hähne, ein schwarzer, ein roter, standen sich auf dem Tisch gegenüber, den Kamm geschwollen, die Federn gesträubt.
Draußen ging das Gewitter nieder, die Mühlknappen achteten nicht darauf. Zwischen den Gockeln entbrannte ein wilder Kampf. Jäh aufflatternd, prallten sie gegeneinander. Es hagelte Schnabelhiebe und Sporenschläge auf beiden Seiten, sie setzten sich mit den Flügeln zur Wehr, dass die Federn stoben, sie schrien, sie kreischten.
Schließlich gelang es dem roten Gockel, sich auf den Rücken des schwarzen zu schwingen. Er krallte sich im Gefieder des Gegners fest, er rupfte ihn unbarmherzig, er hackte in blinder Wut mit dem Schnabel zu – bis der schwarze die Flucht ergriff.
Der rote Gockel verfolgte ihn durch die halbe Mühle, er jagte ihn in den Koselbruch.
Ein letzter, gewaltiger Blitz flammte auf, dann ein Donner wie tausend Paukenschläge – und Stille für diesmal und nur noch der Regen, der vor den Fenstern niederrauschte.
»Du hast«, sprach der fremde Bursche, »den Zweikampf verloren, Müller am Schwarzen Wasser. Nun rasch, ich bin hungrig – trag mir zu essen auf und vergiss auch den Wein nicht!«
Der Meister, kalkweiß im Gesicht, erhob sich aus seinem Sessel. Eigenhändig trug er dem fremden Wandergesellen
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