Krabat (German Edition)
ausblasen, da öffnete sich die Bodentür. Der Meister erschien auf der Schwelle, bleich im Gesicht, wie mit Kalk bestrichen. Er warf einen Blick in die Runde. Dass Michal fehlte, schien er zu übersehen. »Geht an die Arbeit!«, befahl er, dann machte er kehrt und verschwand für den Rest der Nacht.
Hastig zogen die Burschen sich an, sie drängten zur Treppe. Petar und Staschko rannten zum Mühlenweiher die Schleuse öffnen. Die anderen stolperten in die Mahlstube, schütteten Korn auf und ließen die Mühle anlaufen. Stampfend und dröhnend kam sie in Fahrt, den Gesellen wurde es leicht ums Herz.
»Sie mahlt wieder!«, dachte Krabat. »Die Zeit geht weiter … «
Um Mitternacht waren sie mit der Arbeit fertig. Als sie den Schlafraum betraten, sahen sie, dass auf der Pritsche, die Michal gehört hatte, jemand lag: ein Junge von vierzehn Jahren etwa, recht klein für sein Alter, das fiel ihnen auf – und er hatte ein schwarzes Gesicht, der Knirps, aber rote Ohren. Die Burschen umringten ihn voller Neugier und Krabat, der die Laterne trug, richtete ihren Strahl auf ihn. Da erwachte der Kleine und als er die elf Gespenster an seinem Lager stehen sah, kriegte er’s mit der Angst. Krabat glaubte den Jungen zu kennen – woher nur?
»Vor uns brauchst du nicht zu zittern«, sprach er ihn an. »Wir sind hier die Müllerburschen. – Wie heißt du denn?«
»Lobosch. – Und du?«
»Ich bin Krabat. Und dies hier … «
Der Knirps mit dem schwarzen Gesicht unterbrach ihn. »Krabat? – Ich kannte mal einen, der Krabat hieß … «
»Aber?«
»Der müsste jünger sein.«
Jetzt ging Krabat ein Licht auf. »Dann bist du der kleine Lobosch aus Maukendorf!«, rief er. »Und schwarz bist du, weil du den Mohrenkönig gemacht hast.«
»Ja«, sagte Lobosch, »heuer zum letzten Mal. Denn nun bin ich hier Lehrjunge auf der Mühle.«
Das sagte er voller Stolz und die Mühlknappen dachten sich ihr’s dabei.
Am anderen Morgen, als Lobosch zum Frühstück kam, trug er Michals Kleider. Er hatte versucht, sich den Ofenruß wegzuschrubben – es war ihm nicht ganz geglückt: in den Augenwinkeln und um die Nase war ihm ein Rest von Mohrenfarbe geblieben. »Was tut’s!«, meinte Andrusch. »Nach einem halben Tag in der Mehlkammer gibt sich das.«
Der Kleine war hungrig, er machte sich über die Grütze her wie ein Scheunendrescher. Krabat, Andrusch und Staschko aßen mit ihm aus der gleichen Schüssel. Es wunderte sie, wie viel er vertrug.
»Wenn du so arbeitest, wie du isst«, meinte Staschko, »dann können wir andern uns auf die faule Haut legen!«
Lobosch blickte ihn fragend an. »Soll ich weniger essen?«
»Iss du nur!«, sagte Krabat. »Du wirst deine Kräfte noch brauchen können! Wer bei uns Hunger leidet, ist selber schuld daran.«
Lobosch, statt weiterzulöffeln, legte den Kopf schief und musterte Krabat aus schmalen Augen. »Du könntest sein großer Bruder sein.«
»Wessen Bruder?«
»Na, von dem anderen Krabat! Du weißt ja, ich kannte einen.«
»Der damals im Stimmbruch gewesen ist, wie? Und der euch dann in Groß-Partwitz sitzen gelassen hat.«
»Woher weißt du das?«, fragte Lobosch verblüfft – dann griff er sich an die Stirn. »Da siehst du mal«, rief er, »wie man sich täuschen kann! Damals dachte ich – anderthalb Jahre vielleicht, höchstens zwei bist du älter als ich … «
»Es sind fünf«, sagte Krabat.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Der Meister trat ein, die Mühlknappen duckten sich.
»Heda!« Er ging auf den neuen Lehrjungen zu. »Du redest ein bisschen viel für den Anfang, gewöhn dir das ab!« Dann wandte er sich an Krabat, Staschko und Andrusch. »Er soll seine Grütze essen, aber nicht schwatzen. Sorgt dafür, dass er’s lernt!«
Der Meister verließ die Gesindestube, er schlug hinter sich die Tür zu.
Lobosch schien plötzlich satt zu sein. Er legte den Löffel weg, zog die Schultern hoch, senkte für eine Weile den Kopf.
Als er aufblickte, nickte Krabat ihm über den Tisch weg zu, kaum merklich zwar – doch der Junge, so schien es, hatte den Wink verstanden: er wusste nun, dass er einen Freund hatte auf der Mühle im Koselbruch.
Auch Lobosch kam um den Vormittag in der Mehlkammer nicht herum.
Nach dem Frühstück hieß ihn der Meister mitkommen.
»Soll er es besser haben als wir?«, meinte Lyschko. »Das bissel Mehlstaub wird ihn nicht umbringen.«
Krabat erwiderte nichts darauf. Er dachte an Tonda, er dachte an Michal.
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