Krabat (German Edition)
Wollte er Lobosch helfen, dann durfte er Lyschko nicht misstrauisch machen, auch nicht mit Kleinigkeiten.
Vorerst konnte er nichts für Lobosch tun. Der Knirps musste zusehen, wie er den Vormittag hinter sich brachte: besenschwingend im Mehlgestöber, die Wimpern verkleistert, die Nase zugepappt. Da half alles nichts, damit musste er fertigwerden, das ließ sich nicht ändern.
Krabat konnte es kaum erwarten, bis Juro die Burschen zu Tisch rief. Während die anderen in die Stube drängten, lief er zur Mehlkammer, löste den Riegel und riss die Tür auf. »Rauskommen – Mittag!«
Lobosch hockte in einer Ecke, mit angewinkelten Knien, den Kopf in die Hände gestützt. Als Krabat ihn anrief, schreckte er hoch; dann kam er, den Besen hinter sich herschleifend, langsam zur Tür. Er deutete mit dem Daumen über die Schulter zurück. »Ich hab’s nicht geschafft«, gab er kleinlaut zu. »Da hab ich nach einer Weile aufgehört und mich hingesetzt. Ob der Meister mich aus dem Dienst jagt – was meinst du?«
»Er wird keinen Grund haben«, sagte Krabat.
Er sprach eine Zauberformel, er zeichnete mit der linken Hand einen Drudenfuß in die Luft. Da erhob sich der Staub in der Kammer, als bliese aus allen Fugen und Ritzen der Wind hervor. Eine Rauchfahne, weiß, stob zur Tür hinaus – über Loboschs Kopf weg, dem Wald zu.
Die Kammer war leer gefegt, bis auf das letzte Stäubchen. Dem Jungen weiteten sich die Augen.
»Wie macht man das?«
Krabat blieb ihm die Antwort schuldig.
»Versprich mir«, sagte er, »dass du es keiner Menschenseele erzählen wirst. – Und nun lass uns ins Haus gehen, Lobosch, sonst wird uns die Suppe kalt.«
Am Abend, nachdem sich der neue Lehrjunge schlafen gelegt hatte, ließ der Müller die Burschen und Witko zu sich rufen, in die Meisterstube – und so, wie sie am Dreikönigsabend des vorigen Jahres mit Krabat verfahren waren, verfuhren sie nun mit Witko nach Mühlenordnung und Zunftgebrauch. Hanzo und Petar standen dem Meister in Witkos Namen Rede und Antwort, dann wurde der Rotschopf freigesprochen. Der Meister berührte ihn mit der Schneide des Handbeils am Scheitel und an den Schultern. »Von Zunft wegen, Witko … «
Andrusch hatte im Flur einen leeren Mehlsack bereitgelegt, den stülpten sie Witko über, sobald sie vom Meister entlassen waren, und schleppten den frisch gebackenen Mühlknappen in die Mahlstube, um ihn freizumüllern.
»Macht’s gnädig mit ihm!«, mahnte Hanzo. »Vergesst nicht, wie dürr er ist!«
»Dürr oder nicht«, widersprach ihm Andrusch, »ein Müllerbursch ist keine Schneiderseele: er muss was vertragen können! Zugepackt, Brüder, bringen wir’s hinter uns!«
Sie walkten und kneteten Witko durch, wie es Brauch und Übung war, doch gebot ihnen Andrusch weit früher Einhalt, als er’s bei Krabat getan hatte.
Petar zog Witko den Sack herunter, Staschko streute ihm Mehl auf den Kopf: er war durchgemahlen. Dann packten sie ihn und warfen ihn dreimal hoch.
Hinterher musste er ihnen Bescheid trinken.
»Deine Gesundheit, Bruder – zum Wohlsein!«
»Zum Wohlsein, Bruder!«
Der Wein war an diesem Dreikönigsabend nicht schlechter als sonst. Trotzdem vermochten die Burschen heute nicht froh zu werden, daran war Merten schuld. Schweigend hatte er tagsüber seine Arbeit verrichtet, schweigend die Mahlzeiten eingenommen, schweigend daneben gestanden, als Witko gewalkt worden war; nun saß er auf einer Mehlkiste, unbeteiligt und starr, wie zu Stein geworden – und nichts gab es, nichts, was ihn hätte bewegen können sein Schweigen zu brechen.
»He!«, sagte Lyschko. »Du tust ja, als hätte dir jemand das Kraut verschüttet!« Lachend hielt er ihm einen gefüllten Becher hin. »Sauf dich voll, Merten – bloß verschon uns mit deiner Karfreitagsmiene!«
Merten erhob sich. Ohne ein Wort zu verlieren, trat er auf Lyschko zu und schlug ihm den Wein aus der Hand. Dann standen die beiden sich gegenüber, Auge in Auge. Lyschko begann zu schwitzen, die Burschen hielten den Atem an.
Es war still in der Mahlstube, still wie im Grab.
Da hörten sie draußen, vom Gang her, ein leises Tappen, das zögernd näher kam. Alle, auch Merten und Lyschko, blickten zur Tür – und Krabat, der ihr am nächsten war, öffnete. Auf der Schwelle stand Lobosch, barfuß, im Hemd, eine Decke übergeworfen.
»Du bist es, Mohrenkönig?«
»Ja – ich«, sagte Lobosch. »Ich fürchte mich, so allein auf dem Dachboden. Wollt ihr nicht schlafen
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