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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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erst noch.«
    »Und sie lautet?«
    »Sage mir, wie ich dir deine Hilfe danken kann.«
    »Danken?«, erwiderte Krabat und wollte abwinken – da besann er sich anders. »Ich werde dir«, sagte er, »eines Tages von meinen Freunden erzählen, von Tonda und Michal, die beide tot sind. Wenn du mir zuhörst dabei, ist es Dank genug.«
     
    Gegen Ende des Monats Januar setzte Tauwetter ein, so heftig wie unerwartet. Gestern noch hatte es Stein und Bein gefroren im Koselbruch; heute blies seit den frühen Morgenstunden der Westwind ums Haus, viel zu warm für die Jahreszeit. Und die Sonne schien und der Schnee schmolz in wenigen Tagen zusammen, dass es zum Staunen war. Hie und da nur, in einem Graben, in einer Mulde, in einer Wagenspur hielten sich ein paar schäbige graue Reste – aber was zählten sie gegenüber dem Braun der Wiesen, dem Schwarz der Maulwurfshügel, dem ersten Schimmer von Grün unterm welken Gras.
    »Ein Wetter«, meinten die Mühlknappen – »wie zu Ostern!«
    Der warme Westwind setzte den Burschen mit jedem Tag stärker zu. Er machte sie müde und fahrig oder wie Andrusch sich ausdrückte: »wie besoffen«.
    Sie schliefen unruhig während dieser Zeit, träumten wirres Zeug durcheinander und redeten laut im Schlaf. Zwischendurch lagen sie lange wach und wälzten sich auf den Strohsäcken hin und her. Nur Merten bewegte sich nie, der lag reglos auf seiner Pritsche und sprach selbst im Schlaf nicht.
    Krabat dachte in diesen Tagen viel an die Kantorka. Er hatte sich vorgenommen, zu Ostern mit ihr zu sprechen. Bis dahin, das wusste er, hatte es gute Weile. Dennoch beschäftigte der Gedanke ihn, wo er ging und stand.
    Er war in den letzten Nächten zwei-, dreimal im Traum unterwegs gewesen zur Kantorka, hatte sie aber nie erreicht, weil ihm jedes Mal etwas dazwischengekommen war – etwas, woran er sich hinterher nicht erinnern konnte.
    Was war es gewesen? Was hatte ihn aufgehalten?
    Der Anfang des Traumes war ihm in aller Deutlichkeit gegenwärtig. Da war er in einem günstigen Augenblick aus der Mühle weggelaufen, von keinem gesehen, von niemand bemerkt. Er schlug nicht den üblichen Weg nach Schwarzkollm ein: er wählte den Pfad durch das Moor, den Tonda ihn einst geführt hatte, als sie vom Torfstich nach Hause gegangen waren. Bis hierher war alles klar, dann wusste er nicht mehr weiter. Das quälte ihn.
    Während er eines Nachts auf der Pritsche lag, wach geworden vom Heulen des Windes, grübelte er aufs Neue darüber nach. Hartnäckig wiederholte er in Gedanken den Anfang des Traumes ein drittes, ein viertes, ein sechstes Mal: bis er darüber einschlief – und diesmal gelang es ihm endlich, den Traum zu Ende zu träumen.
     
    Krabat ist aus der Mühle weggelaufen. In einem günstigen Augenblick hat er sich aus dem Haus gestohlen, von keinem gesehen, von niemand bemerkt. Er will nach Schwarzkollm, zur Kantorka, doch er schlägt nicht den üblichen Weg ein: er wählt jenen Pfad durch das Moor, den Tonda ihn einst geführt hat, wie sie vom Torfstich nach Hause gegangen sind.
    Draußen im Moor wird er plötzlich unsicher. Nebel ist aufgekommen, der nimmt ihm die Sicht. Zögernd tastet sich Krabat weiter, auf schwankendem Boden.
    Hat er den Pfad verloren?
    Er merkt, wie das Moor sich festsaugt an seinen Sohlen, wie er mit jedem Schritt tiefer einsinkt darin: bis zum Rist  … zu den Knöcheln dann  … bald bis zur halben Wade. Er muss in ein Moorloch geraten sein. Je mehr er sich anstrengt zurückzufinden auf festes Land, desto rascher versinkt er.
    Kalt wie der Tod ist das Moor, eine zähe, klebrige schwarze Masse. Er spürt, wie es ihm die Knie umschließt, dann die Oberschenkel, die Hüften: bald wird es um ihn geschehen sein.
    Da beginnt er, solange die Brust noch frei ist, um Hilfe zu schreien. Er weiß, dass es wenig Sinn hat. Wer soll ihn hier draußen hören? Trotzdem schreit er und schreit, was die Lunge hergibt. »Hilfe!«, schreit er. »Rettet mich, ich versinke, rettet mich!«
    Der Nebel ist dichter geworden. So kommt es, dass Krabat die beiden Gestalten erst wahrnimmt, wie sie schon bis auf wenige Schritte heran sind. Er glaubt zu erkennen, dass Tonda und Michal da auf ihn zukommen. »Halt!«, ruft er. »Stehen bleiben – da ist ein Moorloch!«
    Die beiden Gestalten im Nebel verschmelzen zu einer einzigen, das ist seltsam. Die eine Gestalt nun, zu der sich die beiden vereinigt haben, wirft ihm ein Seil zu, an dessen vorderem Ende ein Querholz befestigt ist. Krabat greift

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