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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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zerrte das Mädchen zurück in den Schutz der Bäume. Der Schrei eines Habichts traf ihn, gellend und schrill, als sei ihm ein Messer ins Herz gefahren: davon erwachte er. –
    Den Abend darauf wurde Krabat zum Meister gerufen. Er hatte kein gutes Gefühl, als er vor ihm stand und den Blick seines einen Auges auf sich gerichtet sah.
    »Ich habe mit dir zu reden.« Der Müller saß wie ein Richter in seinem Lehnstuhl, die Arme verschränkt, mit steinerner Miene. »Du weißt«, fuhr er fort, »dass ich viel von dir halte, Krabat, und dass du es in den Geheimen Wissenschaften zu etwas bringen kannst, was nicht jedem von deinen Mitgesellen erreichbar ist. Dennoch sind mir in letzter Zeit Zweifel gekommen, ob ich dir trauen kann. Du hast Heimlichkeiten vor mir, du verbirgst mir etwas. Ob es nicht klüger wäre, wenn du mir Rede und Antwort stündest, freiwillig, ohne dass ich gezwungen wäre dir nachzuspüren? Sage mir offen, worum es sich handelt – dann wollen wir überlegen, was wir gemeinsam zu deinem Besten tun können: noch ist Zeit dazu.«
    Krabat zögerte keinen Augenblick mit der Antwort. »Ich habe dir nichts zu sagen, Meister.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein«, sagte Krabat mit fester Stimme.
    »Dann geh – und beklag dich nicht, wenn du Ärger bekommst!«
    Draußen im Flur stand Juro, er schien dort auf Krabat gewartet zu haben. Nun zog er ihn in die Küche und schloss hinter sich die Tür zu.
    »Ich hab da was, Krabat  … «
    Er drückte ihm einen Gegenstand in die Hand: eine kleine, vertrocknete Wurzel an einer Schlinge aus dreifach gedrilltem Bindfaden.
    »Nimm das – und häng es dir um den Hals, sonst träumst du dich noch um Kopf und Kragen.«

 
    Der Meister war in den nächsten Tagen auffallend freundlich zu Krabat. Er zog ihn den Mitgesellen bei jeder Gelegenheit vor und lobte ihn für die selbstverständlichsten Dinge, als ob er ihm zeigen wollte, dass er entschlossen sei, ihm nichts nachzutragen – bis er ihm eines Abends, das war gegen Ende der zweiten Woche nach Pfingsten, im Hausflur begegnete, während die anderen schon beim Nachtmahl saßen.
    »Es kommt mir nicht ungelegen, dass ich dich treffe«, sagte er. »Manchmal, das weißt du ja, gibt es Zeiten, in denen man schlechte Laune hat – und dann lässt man sich dazu hinreißen, Dinge zu sagen, die blanker Unsinn sind. Kurz und gut: das Gespräch, das wir unlängst in meiner Stube geführt haben, du erinnerst dich, war ein dummes Gespräch. Und ein überflüssiges obendrein – findest du das nicht auch?«
    Der Meister wartete Krabats Antwort nicht ab.
    »Es sollte mir leidtun«, fuhr er im gleichen Atemzug fort, »wenn du alles, was ich an jenem Abend gesprochen habe, für bare Münze nähmest! Ich weiß ja, dass du ein braver Bursch bist, mein bester Schüler seit Langem, auch zuverlässig wie selten einer – na, du verstehst mich wohl.«
    Krabat fühlte sich unbehaglich: Was wollte der Müller von ihm?
    »Um nicht länger herumzureden«, sagte der Meister. »Ich möchte dich nicht im Zweifel darüber lassen, wie ich in Wirklichkeit von dir denke. Was ich bisher keinem anderen meiner Schüler gewährt habe, dir gewähre ich’s: Nächsten Sonntag erlasse ich dir die Arbeit, ich gebe dir einen freien Tag. Du kannst ausgehen, wenn du magst und wohin es dir passt – nach Maukendorf oder Schwarzkollm oder Seidewinkel, das soll mir gleich sein. Und wenn du bis Montagmorgen zurück bist, genügt mir das.«
    »Ausgehen?«, fragte Krabat. »Was hätte ich wohl in Maukendorf oder sonstwo verloren?«
    »Nun, es gibt Schenken und Wirtshäuser auf den Dörfern, wo du dir einen guten Tag machen könntest – und es gibt Mädchen, mit denen man tanzen kann  … «
    »Nein«, sagte Krabat. »Mir steht nicht der Sinn danach. Soll ich es besser haben als meine Mitgesellen?«
    »Das sollst du«, erklärte der Meister. »Ich sehe nicht ein, weshalb ich dich nicht belohnen sollte für deinen Fleiß und die Ausdauer, die du beim Studium der Geheimen Wissenschaften in weitaus größerem Maß an den Tag legst als jeder andere.«
     
    Am Morgen des nächsten Sonntags, als sich die Burschen zur Arbeit rüsteten, schickte auch Krabat sich an, ein Gleiches zu tun.
    Da kam Hanzo und nahm ihn beiseite.
    »Ich weiß nicht, was los ist«, sagte er, »aber der Meister hat dir für heute frei gegeben. Ich soll dich daran erinnern, dass er dich auf der Mühle vor morgen früh nicht mehr sehen will – alles Weitere wüsstest du.«
    »Ja«,

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