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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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das ohne Fahrkarte Bus fährt. Ich verabscheue ihre Überheblichkeit. Erinnern Sie sich an den Spruch von Alberto Sordi: »Ich bin ich, und ihr seid ’n Scheißdreck!« Das ist die wahre Natur der Römer.
    Stimmt es vielleicht nicht, dass eine Wölfin das Symbol Roms ist? Ich traue diesen Nachkommen einer Wölfin niemals über den Weg, weil sie wilde Tiere sind. Ihr höchstes Talent, die List, setzen sie ein, um vom Schweiß der anderen zu profitieren. Die Menschen im Norden arbeiten, produzieren, zahlen Steuern – und die im Süden nutzen diesen Reichtum aus, um kriminelle Vereinigungen zu gründen wie die Mafia, die Camorra, die ’Ndrangheta oder die sardischen Entführerbanden. Das Drama besteht darin, dass der Norden ein wirtschaftlicher Gigant und ein politischer Zwerg ist. Das ist die bittere Wahrheit. Meinen Studenten empfehle ich immer, das wunderbare Buch
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von Carlo Levi zu lesen, damit sie begreifen, wie der Süden aus Faulheit und Unterentwicklung geboren wurde. Seit jenen Tagen hat sich nichts daran geändert, die Mentalität ist immer noch dieselbe. Man sollte endlich einmal zugeben, dass die Einheit Italiens ein nicht wieder gutzumachender historischer Fehler war. Die Flucht nach vorn hilft da nicht weiter.
    Amedeo ist ein Immigrant! Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen Immigranten und den Leuten aus dem Süden. Auch wenn ich nicht weiß, in welcher Beziehung Amedeo zu Süditalien steht. Ich bin ein aufmerksamer Beobachter, der einen Faulen gut von einem Arbeitswilligen unterscheiden kann. Die neapolitanische Hausmeisterin, Sandro Dandini und Elisabetta Fabiani sind zum Beispiel typisch für den Süden, mit ihrem Trübsinn, ihrer Geschwätzigkeit, ihrer Zurückgebliebenheit, ihrer Meckerei, ihrer Religiosität und ihrem Aberglauben. Ich bin aber kein Rassist. Da kann ich nur den großen neapolitanischen Historiker Giustino Fortunato – ein Süditaliener mit Herkunftsprädikat! – zitieren, der meint, dass das Drama des Mezzogiorno seine Zukunftsangst sei. Sie säen nicht, sie ernten nicht, kurz gesagt, sie investieren nichts. Wer schläft, fängt aber keine Fische!
    Als die Hausmeisterin mir sagte, dass Amedeo aus dem Süden sei, habe ich das nicht geglaubt, weil seine Art zu sprechen, zu grüßen und zu gehen eher jener der Lombarden oder Piemonteser ähnelt. Nach seiner Herkunft habe ich ihn nie gefragt. Das ist seine Privatangelegenheit, und ich habe kein Recht, mich da einzumischen. Nur einmal hörte ich ihn sagen: »Ich bin aus dem Süden des Südens.« Daraus schloss ich, dass Rom wohl im Süden liegt und süditalienische Städte wie Neapel, Potenza, Bari und Palermo dann der äußerste Süden sind. Wir sind uns öfter zufällig in der Bibliothek der historischen Fakultät der Sapienza über den Weg gelaufen. Wir streiften ein paar Themen, die mit dem antiken Rom zu tun haben, und ich bemerkte, dass er über den römischen Kolonialismus in Afrika sehr gut Bescheid weiß. Ich sah ihn auch in Sallusts
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lesen. Was mich besonders aufmerken ließ, war seine gute Kenntnis von Augustinus. Kein Zweifel, er ist ein echter Katholik. Er glaubt an die Werte der Kirche, die Arbeit und Familie heiligt. Und er kennt auch die Bibel. Ich erinnere mich noch gut an unser langes Gespräch über die Worte Jesu: »Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien.« Er war nicht davon überzeugt, dass die Wahrheit uns befreit. Ganz im Gegenteil: Seiner Meinung nach ist die Wahrheit eine Fessel, die uns zu Sklaven macht. Ich weiß, dass er als Übersetzer arbeitet. Aber ich habe ihn nicht gefragt, aus welcher Sprache er übersetzt. Dass er der Mörder sein soll, kann ich nicht glauben.
    Weil es ein Skandal ist, kann ich dazu nicht schweigen: Wissen Sie, dass die Bewohner unseres Gebäudes in den Aufzug pinkeln? Es ist wirklich eine Schande. Sicher ist, dass Amedeo nicht zu den Verdächtigen zählt, weil er den Fahrstuhl nie benutzt und lieber zu Fuß geht. Ich habe ihm mehrmals geraten, lieber nicht die Treppen zu steigen, weil das dauernde Hinauf und Hinunter laut einer medizinischen Studie des Pasteur-Instituts zum Herzinfarkt führt. Aber er gab mir nicht Recht. Viele Male habe ich Hausversammlungen organisiert und versucht, auf diese Weise einige schwerwiegende Probleme ein für allemal zu lösen, vor allem das des Aufzugs. Ich führte ins Feld, dass es sich beim

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