Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
Aufzug um eine Frage der Kultiviertheit handele und dass wir klare Regeln für seinen Gebrauch aufzustellen hätten: Es ist verboten, Zigarettenstummel wegzuwerfen, es ist verboten zu essen, es ist verboten, obszöne Wörter an die Wände zu schreiben, es ist verboten, seine Notdurft zu verrichten etc. Ich schlug vor, an der Fahrstuhltür ein Schild mit der Aufschrift anzubringen: »Bitte den Aufzug sauber halten!« Aber mein Vorschlag erhielt keine Mehrheit, nachdem der Holländer Van Marten die Versammlung mit den Worten verlassen hatte: »So einen Hinweis braucht’s nur an den Türen öffentlicher Toiletten!«
Geht der Aufzug kaputt, ist das eine große Katastrophe, die einen dazu zwingt, wieder die Treppen zu benutzen, was einer Absage an die Moderne, an den Fortschritt und die Aufklärung gleichkommt. Mehrfach, aber ohne Erfolg, versuchte ich, sie mit Argumenten zu überzeugen: »Ein Aufzug ist eine Errungenschaft der Zivilisation. Er hilft, Zeit und Kraft zu sparen. Er ist ebenso wichtig wie die U-Bahn oder das Flugzeug.« Ich weigere mich kategorisch, zu Fuß zu gehen und durch das Hinauf- und Hinuntersteigen von Treppen Zeit zu verlieren. Kürzlich las ich ein Buch eines amerikanischen Soziologen, der berichtet, dass die Verantwortlichen in Los Angeles beschlossen haben, Zebrastreifen auf den Straßen abzuschaffen, weil die Leute nicht mehr zu Fuß gehen. Ich frage mich, wann es so weit sein wird, dass wir uns hier in Italien aller Treppen entledigen.
Amedeo ist eine widersprüchliche Person: Er geht in Bibliotheken, um zu recherchieren und zu studieren, verbringt aber Stunden in Sandros Bar. Das ist eine typisch süditalienische Angewohnheit: in der Bar sitzen, um zu klatschen und zu tratschen. Man sollte sämtliche Bars schließen und alle zum Arbeiten zwingen. Amedeo hatte kein Glück. Hätte er in Mailand gelebt, wäre sein Schicksal ein anderes gewesen. Leider hatte der Umgang mit Sandro einen schlechten Einfluss auf seinen Lebensstil. Bei uns sagt man: »Schlimmer als ein Römer!« Auch der holländische Student Van Marten konnte sich nicht gegen die negativen kulturellen und sozialen Einflüsse der Römer verwahren. Ich habe ihn oft arrogant und schamlos sagen hören: »Io non sono GENTILE!« Anfangs habe ich das überhört, weil er Ausländer ist und das Italienische nicht so beherrscht, wie es sich gehört. Ich wollte diesen Fehler korrigieren, schließlich bin ich vor allem Lehrer. Ich nahm ihn diskret beiseite und sagte leise zu ihm: »Du solltest diesen Satz nicht noch einmal sagen, weil er schlicht bedeutet, dass du unzivilisiert und ohne jeglichen Anstand und also ein Barbar bist.« Er sah mich mit einem Anflug gespielter Unschuld an: »Ich weiß, dass das Wort GENTILE in den Wörterbüchern mit anständig, sympathisch und höflich übersetzt wird. Aber ich meine etwas anderes.« Ich ertrug es nicht, mir auch noch den Rest seiner Auslassungen anzuhören, weil es mir meine Rolle als verdienter Universitätsprofessor verbietet, mich mit einem fremdländischen Studenten in eine Grundsatzdiskussion über eine Frage einzulassen, welche die italienische Sprache betrifft.
Ich finde, dass dieses Land ein wahrer Ausbund an Wundern ist. Zum Beispiel demonstrieren Fußballweltmeisterschaften, wie ein Italiener entdeckt, dass er ein Italiener ist: Er hängt die Nationalflagge in sein Fenster, auf den Balkon und in den Laden. Oh Wunder, der Fußball schafft Identität! Aber ist es denn tatsächlich sinnvoll, eine Landessprache zu haben, eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Zukunft? Wozu soll die Einheit Italiens gut sein? Dove l’è che sem? Wo sind wir nochmal genau? Kann das in einem unterentwickelten Land etwa funktionieren? Porca miseria!
Ich muss zugeben, dass Amedeos Weigerung, den Aufzug, den Bus oder die U-Bahn zu benutzen, und seine Leidenschaft fürs stundenlange Gehen mir den Verdacht nahelegten, dass er einer politischen Bewegung angehört, die sehr viel gefährlicher ist als der Nationalsozialismus, der Faschismus und der Stalinismus. Ich meine diese Lumpen von den Grünen. Ich zucke nicht im geringsten mit der Wimper, wenn ich diese Umweltschützer als die neuen Barbaren bezeichne, weil sie alles tun, um den Zug des Fortschritts und der Technologie aufzuhalten und die Menschheit in die Steinzeit zurückzuwerfen – mit so lächerlichen Slogans wie »Rettet die Bäume!«, »Schließt die großen Fabriken!«, »Verbietet die Jagd!« und »Boykottiert Produkte von Nestlé und
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