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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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in diesem Haus bist. Hilf mir in meinem Kampf gegen die neuen Barbaren.« Ich versprach, dass ich versuchen würde, die anderen von der Notwendigkeit zu überzeugen, auf den Fahrstuhl achtzugeben.
    Donnerstag, 23 . März, 23 . 49 Uhr
    Heute Morgen hat mich Marini überbesorgt gefragt, ob ich für die Grünen sei, weil ich doch weder Aufzug noch Bus fahre und immer lieber zu Fuß gehe. Ich sagte nein und sah ihn vor Erleichterung ganz tief durchatmen. Er hält Umweltschützer für die neuen Barbaren und die Todfeinde der Zivilisation, weil sie angeblich den Fortgang der Entwicklung und die wissenschaftliche Forschung aufhalten und so die Menschheit in die Steinzeit zurückbefördern wollen. Er schloss seine Unterweisung schließlich mit einem Rat: »Hüte dich vor den Grünen! Sie sind gefährlicher als die Nationalsozialisten, die Faschisten, die Brigadisten, die Stalinisten und die Roten Khmer!«
    Montag, 2 . März, 22 . 47 Uhr
    Heute Morgen las ich im
Corriere della Sera
wie immer die Rubrik von Montanelli. Er beleuchtete die Vision einer Sezession, die ja von der Lega Nord liebevoll gepflegt wird. Mit der ihm eigenen Unverblümtheit schrieb Montanelli, der Kern des Problems bestehe darin, dass Italien vor den Italienern da gewesen sei. Dies erkläre die Fragilität der Einheit Italiens, die von einer Minderheit gegen den Widerstand der Mehrheit ausgerufen worden sei. Montanellis Worte brachten mich dazu, ernsthaft über all die Diskussionen nachzudenken, die auf die Integration von Einwanderern in die italienische Gesellschaft zielen. Wobei mir im Augenblick die Integration selbst ziemlich egal ist. Was mich daran wirklich interessiert, ist, wie ich es schaffe, am Busen der Wölfin zu hängen, ohne von ihr gebissen zu werden, und mich trotzdem meiner Lieblingsbeschäftigung widmen kann: dem Wolfsgesang! Auuuuuuu …

Die Wahrheit des Johan Van Marten
    Mein Vater war nicht sehr begeistert von meinem Vorhaben und hat auf allen möglichen Wegen versucht, mich dazu zu bringen, meine Entscheidung noch einmal zu überdenken: »Johan, lass das doch mit Italien. Von den Italienern wirst du nichts lernen. Erinnere dich, dass dieses Land den Catenaccio 8 erfunden hat! Diese Spielweise wäre das Ende des Fußballs gewesen, hätten wir Holländer nicht den ›total football‹ dagegengesetzt.« Ich erinnere mich noch gut an seine letzten Worte, als er mich am Flughafen verabschiedete: »Denk immer dran, Johan, der AC Milan war eine der großartigsten Mannschaften Europas und der Welt – dank des holländischen Trios Gullit, Van Basten und Rijkaard und nicht wegen des Geldes von Berlusconi!« Mein Vater hat mir diesen Ungehorsam nie verziehen. Darum fing er an, mich aufzuziehen und nannte mich bloß noch Gentile, weil ich seiner Meinung nach den Namen Johan, der an den großartigen Spieler Cruyff erinnert, nicht mehr verdiene.
    Gentile, das weiß ich wohl, ist ein italienisches Wort, das höflich und gut erzogen bedeutet. Aber das ist eben auch der Familienname eines Spielers, der früher bei Juventus und in jener italienischen Nationalmannschaft spielte, die 1982 die Weltmeisterschaft in Spanien gewann. Und bis 2006 trainierte er die U 21. Claudio Gentile war bekannt für seine Aggressivität und seine harte Manndeckung. Für meinen Vater war Gentile in diesem Sport der allergrößte Feind, ja sogar das Symbol par excellence für den Catenaccio. Wenn’s nach ihm gegangen wäre, hätte ihn die Fifa disqualifizieren müssen, als er bei den Weltmeisterschaften in Spanien Maradona zum Weinen brachte und Zico das Trikot zerriss. Aus diesem Grund habe ich mir angewöhnt, meine Unschuld zu beteuern, indem ich immer wieder diesen einen Satz sage: »Ich bin nicht GENTILE«. Aber steht Gentile für das tatsächliche Image Italiens?
    Ich kam nach Rom, um an der Filmhochschule zu studieren und mir damit einen Traum zu erfüllen, den ich schon von klein auf hatte. Ich bin ein sehr großer Verehrer des italienischen Kinos und verhehle nicht meine Passion für den Neorealismus, der für mich die beste Antwort auf das Hollywoodkino ist. Ich liebe die Filme von Rossellini und De Sica.
Rom, offene Stadt
von Roberto Rossellini und
Fahrraddiebe
von Vittorio De Sica sind mit die besten Filme der Kinogeschichte. Einige Szenen des zweiten Films wurden an der Piazza Vittorio gedreht. Das war denn auch der Grund, der mich dazu bewog, ein Zimmer in dem Haus an der Piazza Vittorio zu mieten, wo Amedeo wohnt.
    Natürlich erinnere ich mich noch an

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