Kräfte der Comyn - 12
herbestellt worden war, um
sich Vorwürfe anzuhören. Das gewaltige Gebäude, schimmernd
vor weißem Metall und Glas, die breiten Flure und der
Panorama-Blick aus jedem Korridorfenster über die
darkovanische Stadt und die Berge dahinter nahmen ihm fast
den Atem. Das Büro des Legaten lag hoch oben und ganz im
Licht der untergehenden roten Sonne. Larry trat in den hellen,
ringsum verglasten Raum, und ihn durchzuckte der Gedanke:
Er sieht mehr von dieser Welt, als er irgend jemanden wissen
lassen möchte.
Der Legat war ein untersetzter Mann, dunkel und ergrauend,
mit nachdenklichen Augen und einem ständigen Stirnrunzeln.
Trotzdem besaß er Würde und etwas, das Larry sofort an Lorill
Hastur denken ließ. Was mag das sein? Ist es nur, daß beide
daran gewöhnt sind, Macht auszuüben, Entscheidungen zu
treffen, mit denen andere Menschen leben müssen?
„Commander Reade - mein Sohn Larry.”
„Setzen Sie sich.” Das war einwandfrei ein Befehl, keine
Einladung. „Sie sind also in der Stadt herumgestreift?
Erzählen Sie mir davon - erzählen Sie mir alles, was Sie dort
getan haben.”
Sein Gesichtsausdruck ließ sich nicht deuten, er verriet
keinen Zorn, aber auch keine Freundlichkeit. Er behielt sich
sein Urteil vor. Und er sprach mit einer solchen Autorität, als
erwarte er, Larry werde sich überschlagen, um ihm zu
gehorchen, und nach zehn Tagen, die er verdrossen im
Hauptquartier herumgesessen hatte, war Larry nicht besonders
demütig zumute.
„Ich wußte nicht, daß es gegen irgendwelche Vorschriften
verstieß, Sir. Und ich habe niemandem Schaden zugefügt, und
auch mir ist nichts passiert.”
Reade gab einen unergründlichen Laut von sich. „Das lassen
Sie besser mich entscheiden. Berichten Sie einfach darüber.” Larry erzählte die ganze Geschichte, wie er Tag für Tag
durch die Stadt gewandert war, wie er mit der Schlägerbande
zusammengeraten war und wie Kennard Alton eingegriffen hatte. Schließlich sprach er von seinem letzten Besuch im Haus der Altons und betonte, daß er ohne seines Vaters Wissen und Zustimmung gegangen war. „Deshalb machen Sie Dad
keine Vorwürfe, Sir. Er zumindest hat kein Gesetz gebrochen.” Montray fiel schnell ein: „Trotzdem, Reade, ich übernehme
die Verantwortung. Er ist mein Sohn, und ich werde dafür
sorgen, daß er es nicht noch einmal tut.”
Reade winkte ihm zu schweigen. „Das ist nicht das Problem.
Wir haben vom Rat gehört - im Auftrag Altons. Anscheinend
fühlen sie sich tief beleidigt.”
„Was? Warum?”
„Weil Sie Ihrem Sohn die Erlaubnis verweigert haben, diese
Freundschaft fortzusetzen, als hielten Sie sie für ungeeignet,
mit Ihrem Sohn zu verkehren.”
Montray drückte die Hände an die Schläfen und sagte müde:
„O mein Gott.”
„Genau”, stellte Reade mit leiser Stimme fest. „Die Altons
sind wichtige Leute auf Darkover - Aristokraten, Mitglieder
des Rats. Fühlen sie sich von Terra vor den Kopf gestoßen,
kann das Ärger geben.”
Plötzlich explodierte der Legat vor Zorn. „So oder so, zur
Hölle mit dem Bengel! Wir sind nicht bereit für eine Episode
dieser Art. Wir hätten selbst daran denken und Vorbereitungen
dafür treffen sollen, und jetzt, wo uns die Gelegenheit in den
Schoß fällt, sind wir kaum imstande, Nutzen daraus zu ziehen!
Wie alt ist der Junge?”
Montray gab Larry ein Zeichen, selbst zu antworten, und
Reade grunzte. „Sechzehn, so? Hier gelten die Jungen in dem
Alter als Männer - das dürfen wir nicht vergessen! Was
meinen Sie, junger Larry? Haben Sie die Absicht - haben Sie
je daran gedacht, in den Dienst des Imperiums zu treten?” Verwirrt von der Frage, antwortete Larry: „Das habe ich
von jeher vor, Commander.”
„Nun, hier ist Ihre Chance.” Er schob ein Stück Papier über
den Tisch. Es war dick und gerändelt und mit darkovanischer
Schrift bedeckt, den geraden, viereckigen Lettern der StadtSprache. „Wie ich hörte, können Sie dies Zeug lesen. Gott
weiß, warum Sie sich die Mühe gemacht haben, es zu lernen,
aber uns kommt es zupaß. Buchstabieren Sie es sich später
zusammen, wenn Sie die Zeit dazu haben. Zufällig kann ich es
auch lesen, obwohl die meisten Leute in der Verwaltung sich
die Mühe, die Sprache zu lernen, nicht machen. Es ist eine Einladung von den Altons an Sie, Larry, den Sommer mit Kennard auf ihrem Landgut zu verbringen - und daß sie den Brief an die Verwaltung geschickt haben, ist als Ohrfeige gedacht, denn sie mögen die terranische Art nicht, jede
Kleinigkeit durch verschiedene
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