Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
und ein
Kunstwerk ist nicht mehr wert als das Einwickelpapier der Butter.
Antonio liebt seinen Beruf leidenschaftlich. Selbst wenn er ihn zwischenzeitlich auslaugt und bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit führt. Andere Menschen jammern bei einem
Schnupfen, weil sie nicht recht atmen können. Mein Mann jammert, weil er nicht richtig schmecken kann und es ihm vorkommt, als hätte man seine Zunge amputiert.
Ich liebe seinen Enthusiasmus, seinen Charme, seine Ernsthaftigkeit beim Kochen, seine familiär anmutende Verbundenheit an seine alte Heimat Italien, in der er die ersten zehn Jahre seines
Lebens verbracht hat.
Ich bin froh, dass ich ihn habe. Jeden Tag. Egal, ob er nach Fisch, Paprika oder eben Basilikum riecht.
Er rekelt sich neben mir und greift suchend hinter sich. Ich soll näherkommen, heißt das. Vorher will er nicht einschlafen.
Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen und lässt mich spüren, wie finster meine Miene vorher war.
Lautlos seufzend komme ich Antonios wortloser Bitte nach und mache es mir in seinem Rücken bequem. Sofort lehnt er sich an mich, drückt seinen warmen Hintern gegen meinen Unterleib,
sodass es in mir zuckt und vibriert. Nach Nachschub schreit; laut und fordernd.
Ich kneife die Augen zu und presse das Gesicht in seinen Nacken. Antonio führt meine Hand auf seinen Bauch und hält sie dort fest.
Ich schäme mich.
Ich bin gereizt und will es nicht sein. Bin unzufrieden, obwohl ich keinen Grund habe, mich zu beschweren. Bin unglücklich und habe kein Recht dazu.
* * *
Der Gestank des Basilikums reißt mich lange vor dem Wecker aus dem Bett. Keine Sekunde länger kann ich ihn ertragen. Keine Sekunde will ich in Antonios Umarmung liegen und mich dem
Gefühl stellen, dass tausend Ameisen durch meine Adern krabbeln.
Ich habe schlecht geträumt. Das bedeutet, dass ich gut geträumt habe. Was auf den ersten Blick widersinnig scheint, erklärt sich, wenn man in meiner Haut steckt. In meinem
Leben.
Leise schwinge ich die Beine aus dem Bett und flüchte mich ins Bad. Ich will Antonio nicht wecken. Er hat seinen freien Tag und braucht den Schlaf.
In der Dusche lehne ich die Stirn an die kühlen Kacheln und sehe an meinem Körper entlang. Zornig springt mir meine Erektion ins Blickfeld. Ihr Anblick frustriert mich ebenso sehr wie
meine Träume.
Träume, in denen ich von einer Sequenz in die nächste gestolpert bin, oft glaubte, in der Wirklichkeit angekommen zu sein, nur um am Ende in dem Wissen zu erwachen, dass die
Traumbilder einen Fehler hatten: Sie handelten von schmutzigem, leidenschaftlichem Sex mit meinem Mann.
Ich greife nach unten und erledige in aller Eile, was ich muss, um über den Tag zu kommen. Es macht keinen Spaß, es tut nicht in dem Sinne gut, denn es ist ein verseuchtes
Erlebnis.
Wie gestern Abend. Wie jeder Sex, den wir seit vier oder fünf Jahren miteinander haben.
Es quält mich, dass Antonio das Interesse verloren hat.
Schon als wir uns vor knapp acht Jahren kennenlernten, merkte ich, dass er weit weniger triebhaft ist, als man uns Männern nachsagt. Es hat mich nicht gestört, denn Antonio selbst war
zu faszinierend, um sich über Kleinigkeiten dieser Art Gedanken zu machen.
Sex ist nicht alles, nicht wahr? Dummerweise ist er trotzdem wichtig. Zumindest für mich.
Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in einer Beziehung leben würde, in der Sex nur Gastauftritte hat. In der ich permanent mit enger Hose herumlaufen würde, weil mein eigener
Mann mich nicht will.
Falsch, es liegt nicht daran, dass Antonio mich nicht will. Er will gar nicht. Kein Interesse, nada, keine Lust. Auf niemanden.
Es gab Zeiten, in denen ich befürchtet habe, dass er ein verkappter Hetero ist und es mir nicht sagen will. Oder dass ich ihm zu alt geworden bin.
All diese Überlegungen sind Unsinn.
Antonio braucht es einfach nicht so oft und dringend wie ich. Andere Physiologie, andere Prioritäten, anderer Hormonspiegel, was weiß ich?
Er will mir nichts Böses, will, dass ich zufrieden bin. Deshalb lässt er sich in regelmäßigen Abständen auf mich ein. Wie gestern Abend.
Es ist stets dasselbe Szenario. Sex nach Terminplan und mit Gebrauchsanweisung. Er duscht ausgiebig, löscht das Licht, legt sich auf unser Bett und streckt sich mir entgegen. Ich küsse
seinen Rücken, seinen Hals, spüre, dass er heimlich auf die Uhr schielt, und bin in ihm, bevor es einer von uns genießen kann. Sein Stöhnen klingt pflichtschuldig, und ich
spritze irgendwann
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