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Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Titel: Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad , Jannis Plastargias , C. Dewi , Gerry Stratmann
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gelangweilt und mit schlechtem Gewissen ab.
    Hinterher wird gekuschelt. Ich bin frustriert, Antonio weiß es und am Ende sagt sich jeder von uns stumm, dass Sex – wie bereits erwähnt – nicht alles ist.
    Ich weiß, dass ich mir nicht mehr genug Mühe gebe. Das war früher anders. Da habe ich gekämpft. Ich habe versucht, Verlockungen in unseren Alltag einzubauen, habe Antonio
ans Bett gefesselt und am ganzen Körper geleckt, bis er gezittert hat. Bin morgens um vier an ihn herangerutscht, um ihn zu blasen. Habe ihn in Clubs entführt, in denen es heiß
herging, Filme ausgeliehen, Spielzeug gekauft, ihm schmutzige Ideen eingeflüstert und ein verfluchtes Lacklaken für Schweinereien mit Öl besorgt. Wir haben es nie eingeweiht.
    Sex ist in Antonios Kopf nicht präsent. Er geht nicht fremd, er zieht keine Pornos aus dem Netz, er starrt keinen anderen Kerlen hinterher.
    Und ich? Ich gehe die Wände hoch.
    * * *
    Es ist einer dieser Tage, an dem ich vor Betreten meines Büros weiß, dass ich abends nicht auf direktem Weg nach Hause gehen werde. An dem es mich an einen Ort ziehen wird, an dem
alles anders ist und an dem ich für eine kleine Weile vergessen kann. Zufrieden sein kann.
    Ich tue nichts Verbotenes.
    Antonio und ich führen eine Ehe, die vielerlei Freiheiten erlaubt. Ohne Eifersucht, ohne böse Worte, ohne – das ist am wichtigsten – verletzte Gefühle.
    Wir glauben nicht an körperliche Treue. Wir glauben an Treue im Kopf und im Herz. Wir wissen, dass etwas Profanes wie Sex keinen Einfluss auf unsere Liebe hat. Unser Band ist
eng – und doch elastisch genug, um einen von uns von Zeit zu Zeit ausscheren zu lassen.
    Mich ausscheren zu lassen. Denn Antonio will nicht mehr. Nicht mit mir, nicht mit anderen.
    Trotzdem fühle ich mich nicht wohl, als ich kurz vor Feierabend ins Firmenbad gehe, die Tür hinter mir abschließe und mir das Hemd abstreife, um mich rasch zu waschen.
    Wir haben die Eckpfeiler unserer Beziehung zementiert, um Abenteuer erleben zu können, solange wir jung sind. Um uns Versuchungen nicht gegenseitig zu verbieten, sondern sie mitzunehmen und
anschließend auf die eine oder andere Weise zu teilen. Aber wir wollten nie auf die Jagd gehen, um etwas zu ersetzen, was zuhause nicht stattfindet.
    Ich weiß darum, als ich wenig später einen Handzettel von der Windschutzscheibe meines Wagens reiße und ihn unnötig brutal zerknülle. Ihn wegwerfe, ab in die
Büsche.
    Scheiß auf den Umweltschutz. Hier in der Stadt ist eh alles verloren.
    Ein Grund mehr, mich mies zu fühlen, als ich mich hinter das Steuer setze und den Motor anlasse. Mit den Vibrationen des Wagens breitet sich in eine süßliche Erwartungshaltung in
mir aus. Ich kenne mein Ziel, und es treibt mir im besten Sinne den Schweiß in den Nacken.
    Ich schalte um. Oder ab. Das Blickfeld meines Bewusstseins wird zu einem dünnen Tunnel, der nur ein Ziel kennt und wahrnimmt. Alles andere löst sich in Wohlgefallen auf.
    * * *
    Die Bar ist schlicht, an der Grenze zur Schäbigkeit. Auf der Theke zeigen sich die Ränder übergelaufener Biergläser. Niemand wischt sie weg.
    Ich trinke hier ungern etwas und benutze noch weniger gern die Toilette. Ich schätze, ich werde alt und habe mich an gediegenere Etablissements gewöhnt. Aber manchmal ist eine
verruchte Bar mit einem Vorhang zum Hinterzimmer genau das, was man braucht.
    Und ich brauche es heute.
    Es gibt genug zahlende Gäste, sodass es den Barkeeper nicht stört, dass ich ohne Bestellung nach hinten gehe. Ich schiebe mich ins Dunkel, das nur von wenigen blauen Strahlern
durchbrochen wird.
    Ich sehe Fleisch. Männerfleisch.
    Die Bar ist kein Ort für niedliche Boys, die tanzen und Cocktails schlürfen wollen, bevor sie sich in ruhigere Ecken zurückziehen. Hier geht es um Gier, um erdigen Sex, um
gestandene Männer, die nicht erst über eine Tanzfläche zappeln wollen, bevor sie zur Sache kommen.
    Es riecht scharf. Manche Spiele, die hier stattfinden, gehen über meine Bedürfnisse hinaus. Mir egal, solange ich zum Zug komme und das finde, was ich suche.
    Ich weiß, dass in dieser Bar Männer unterwegs sind, die nichts vom Schutz ihrer Gesundheit halten. Das kommt für mich nicht infrage. Deshalb würde ich in dieser Umgebung nie
vögeln. Es ist mir zu gefährlich; auch und gerade für Antonio. Er verlässt sich auf mich.
    Unwillig denke ich an ihn, als ich mich durch die miteinander flüsternden, sich anfassenden, küssenden und keuchenden Männer schiebe. Antonio

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