Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
selbst zur Ordnung. Rainer kannte seinen Freund. Wenn Jörg erst Lunte gerochen hatte, würde er nicht so schnell locker lassen.
Rainer schüttelte die Arme aus, machte ein paar Entspannungsübungen, um die verkrampften Muskeln zu lockern. Danach konzentrierte er sich erneut auf seine Arbeit und versuchte, den
Kopf frei zu halten. Leicht fiel ihm das allerdings nicht.
Inzwischen lag der Tank von Marcels Harley auf seinem Tisch. Nur mit großer Anstrengung gelang es ihm, das männlich schöne Gesicht des Typen von seinem inneren Auge zu
verdrängen. Zwei Mal hatte er sich schon dabei ertappt, dass er einem der Totenköpfe dessen Züge verpassen wollte.
Der Tag wollte kein Ende nehmen. Bei jedem Blick zur Uhr hatte Rainer das Gefühl, die Zeiger wären angetackert. Minuten kamen ihm vor wie Stunden.
Hatte er sich wegen eines Kerls schon jemals so beschissen gefühlt? Wo sollte das nur hinführen?
Erleichtert legte er die Airbrushgun zur Seite, als der Besitzer der Kawa erschien. Dieser stürzte sich auf seine Maschine, wie ein Kind auf die Weihnachtsgeschenke. Die begeisterten
‚Ah’s’ und ‚Oh’s’ entlockten Rainer ein nachsichtiges Lächeln. Nachdem sie das Geschäftliche erledigt hatten, fuhr ein zufriedener Kunde davon.
* * *
Der nächste Tag begann für Rainer mit einer peinlichen Erkenntnis. Er kam sich vor wie ein pubertierender Jugendlicher, als er beim Aufwachen feststellte, dass ihm die Unterhose am
Körper klebte. Die wilden Fantasien seines Unterbewusstseins hatten ihm einen feuchten Traum beschert.
Mein Gott, ging es noch schlimmer? Wie konnte er sich nur so in eine Sache hineinsteigern? Es trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht, als ihm Bruchstücke des Traumes bewusst wurden. Er
hatte sich darin ficken lassen.
Wie eine Schlampe hatte er im Traum auf dem Rücken gelegen und sich stoßen lassen. Um die Peinlichkeit auf die Spitze zu treiben, wurde sein Schwanz bei dieser Erinnerung hart und
sein Arsch zuckte vor Erwartung.
Laut brüllte er seinen Frust hinaus, doch eine gewisse Neugier blieb zurück.
Natürlich kam er erneut mit mieser Laune im Betrieb an. Prompt hielt Jörg ihm eine Standpauke.
„Verdammt Rain, hast du mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus wie sieben Tage Regenwetter. Willst du mir den Urlaub vermiesen? Soll ich mir in den kommenden vierzehn Tagen permanent
Sorgen um dich und die Firma machen?“
Rainer schüttelte zerknirscht den Kopf. Zu einer Erwiderung bekam er keine Chance, Jörgs Schimpftirade ging weiter.
„Alter, wir sind beide urlaubsreif, aber wenn du mir nicht sofort sagst, was mit dir los ist, dann blase ich alles ab! Willst du das? Mit dem Gedanken, dass hier was nicht stimmt, kann ich
mich nicht erholen! Ich dachte, wir wären Freunde und könnten uns alles sagen! Bist du krank? Haben wir Probleme mit der Firma, von denen ich noch nichts weiß? Los! Rede mit
mir!“
Verzweifelt schüttelte Rainer heftig den Kopf. Endlich hielt Jörg die Klappe, und er konnte das Wort ergreifen.
„Mit der Firma ist alles okay, darüber brauchst du dir keine Sorgen machen. Du kennst alle Zahlen und Daten. Also was soll die Frage? Es liegt an mir. Mein nicht vorhandenes
Privatleben geht mir auf die Nerven, und ich ärgere mich über mich selbst. Lass gut sein, Alter. Es ist nichts, worüber du dir Gedanken machen musst.“
„Du brauchst einen festen Partner. Das erzähle ich dir schon so lange.“
Jörg kam lächelnd auf ihn zu. Freundschaftlich legte er ihm den Arm um die Schultern, zog ihn dicht an sich.
„Rain, du musst dir jemanden suchen, mit dem du die Abende verbringen und reden kannst. Du kannst nicht immer allein sein. Nur dann und wann für einen schnellen Fick in die Clubs
gehen. Schau mich an. Seit ich mit Nicky zusammenlebe, bin ich viel ausgeglichener und zufriedener. Das brauchst du auch.“
Rainer versetzte Jörg einen leichten Boxhieb gegen die Schulter und grinste.
„Klar, ich suche mir eine Freundin für mein Seelenheil.“
„Idiot“, lachte Jörg und schlug ihm auf die Schulter.
Sie alberten noch ein bisschen herum, danach fühlte Rainer sich tatsächlich besser.
Jörg hatte nach zwei Stunden die Lackierung der Harley-Fender beendet, seinen Arbeitsplatz gesäubert und aufgeräumt. Weiter gab es für ihn nichts mehr zu tun.
Unter vielen guten Wünschen schickte Rainer seinen Kompagnon in den wohlverdienten Urlaub.
Rainer setzte sich für einige Minuten an den Schreibtisch und genoss die Ruhe. Als er merkte, dass
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