Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
die Pest hasste, wenn Jörg diese
bescheuerte Abkürzung seines Namens benutzte.
Sein Freund hatte allerdings den Nagel auf den Kopf getroffen. Marcel war genau seine Kragenweite, abgesehen von dessen Arroganz. Rainer zog die ruhigen, anschmiegsamen Jungs vor, und nebenbei
war ihm der Kerl auch viel zu alt. Er war schließlich gerade erst fünfundzwanzig geworden.
‚Der Mann hat mich nur so beeindruckt, weil ich schon lange keinen Sex mehr hatte’, legte Rainer sich seine Reaktion zurecht.
Seit er mit Jörg die Firma gegründet hatte, bestand sein Leben nur noch aus Arbeit. Wenn er nicht in der Werkstatt beschäftigt war, kümmerte er sich um den Bürokram.
Rainer konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er das letzte Mal auf die Piste gegangen war, um einen willigen Partner zu finden.
Das würde er heute ändern. Es wäre ja noch schöner, wenn er wegen dieses Wichsers beim nächsten Zusammentreffen anfangen würde zu sabbern.
Ein Blick auf die Uhr zeigte Rainer, dass es fast siebzehn Uhr war. Kurz setzte er Jörg davon in Kenntnis, dass er heute noch weg wollte. Dieser grinste ihn wissend an, war aber selbst
davon begeistert, auch mal eher nach Hause zu kommen. Sobald die Kawa fertig lackiert war, wollten sie Feierabend machen.
Es war trotzdem fast zwanzig Uhr, ehe Jörg und Rainer sich auf den Heimweg begaben. Sie hatten noch einige firmeninterne Dinge besprochen, damit Jörg sich morgen auf die Harley
stürzen konnte. Sobald die Fender fertig waren, wollte er seinen Urlaub antreten. Sein Flug ging am Samstag in aller Frühe, und er musste vorher noch ein paar Besorgungen machen.
Rainer gönnte ihm die freie Zeit, schließlich hatten sie beide seit über zwei Jahren keinen Urlaub mehr gehabt.
Zuhause angekommen fiel er wie ein hungriger Wolf über seinen Gefrierschrank her. Mist! Darin fand er nur noch Fertigfutter, all seine selbst gekochten Mahlzeiten waren aufgebraucht.
Notgedrungen entschied Rainer sich für das indische Hähnchen-Curry. Er füllte den Packungsinhalt auf einen Teller und schob ihn in die Mikrowelle.
Zwischenzeitlich ging er in sein Schlafzimmer und zog sich aus. Obwohl es für seine Verhältnisse schon spät war, hielt er an dem Entschluss fest, auf Tour zu gehen. Der Gedanke an
schnellen Sex hatte sich in seinem Kopf festgesetzt. Jetzt musste er dringend Druck abbauen.
Geduscht hatte er bereits in der Firma, aber rasieren musste er sich noch. Ein Blick in den Spiegel und ein prüfender Handstrich über die Intimzone zeigten ihm, dass eine
Ganzkörperrasur angesagt war.
Verdammt, wenn er es auch schon mal eilig hatte. Aber so ungepflegt würde Rainer sich nicht unters Volk mischen.
Als er endlich fertig war, vernahm er das dezente Klingeln der Mikrowelle. Vorsichtig probierte er das Curry. Pfui Teufel, das Zeug war völlig geschmacklos, so würde er das auf keinen
Fall durch den Hals bekommen. Rainer durchsuchte das Gemüsefach des Kühlschrankes und fand zu seiner großen Freude eine frische Ingwerwurzel. Schnell schälte er ein kleines
Stück und raspelte es fein über das Essen. So war das Futter wenigstens einigermaßen genießbar. Er liebte Ingwer.
Am Wochenende musste er unbedingt einkaufen und seinen Gefrierschrank mit eigenen Kreationen auffüllen. Kochen war neben Motorrädern seine zweite Leidenschaft. Fertiggerichte waren ihm
ein Graus, aber hin und wieder musste er darauf zurückgreifen. Ihm fehlte einfach die Zeit, jeden Abend etwas Frisches zuzubereiten.
Gesättigt, frisch gestylt und unternehmungslustig schwang er sich auf seine Karre und brauste zu seinem Lieblingsclub. Wie erwartet war hier selbst mitten in der Woche einiges los. Es gab
immer Männer, die auf der Suche nach schnellem, unkompliziertem Sex waren, und der Darkroom des Clubs bot mehr Sicherheit als die Klappen in dunklen Parks oder öffentlichen Toiletten.
Bevor Rainer den Club betrat, sammelte er sich kurz. Während der Arbeit und in der Gemeinschaft seiner Freunde war er ein netter, freundlicher und zugänglicher Kerl. Beim Sex sah das
anders aus. Da war Rainer der dominante Part, und jeder hatte sich seinen Wünschen zu unterwerfen.
Hoch erhobenen Hauptes, der Blick eiskalt, das Gesicht eine undurchdringliche Maske, marschierte er mit weit ausholenden Schritten zur Bar. Kurz und knapp orderte er ein Bier und lehnte sich mit
dem Rücken an die Theke.
Rainer taxierte, ohne eine Miene zu verziehen, die Typen, die das Lokal bevölkerten. An einem schmalen blonden Kerl blieben
Weitere Kostenlose Bücher