Kräuterkunde
sie sich wieder explosionsartig in die Höhe, bis sie erschöpft am nächsten Knoten wieder eine Pause macht. Dieses rhythmische Stauen und Fließen gleicht unserem Ein- und Ausatmen. Es gleicht aber auch den traditionellen Reigen, die unsere Vorfahren in Einstimmung auf das Pflanzenwachstum um den Maibaum oder um die Dorflinde tanzten. Die Systole gleicht dem Schritt zurück, den die Tänzer machen, um dann zwei oder drei Schritte weiterzuspringen.
In jeder Systole besinnt sich die wachsende Pflanze auf ihre Anfänge, sie rekapituliert das Mondstadium ihrer Entwicklung. An den Knoten bilden sich oft Adventivwurzeln, die, wenn sie den Erdboden berühren, tatsächlich anwurzeln – beim Drüsigen Springkraut kann man das besonders leicht erkennen.
Wenn die Pflanze in ihrem Wachstum die Sonnensphäre erreicht, findet eine wahrlich große Metamorphose statt. Das Längenwachstum staut sich plötzlich. Das rhyhthmische Pulsieren des Zusammenziehens und Ausdehnens bleibt auf horizontaler Ebene bestehen. Die Pflanze blüht. Die Blume ist das von der Sonne bereitete, durchlichtete, duftende Hochzeitsbett des Pflanzenwesens.
Der Venusimpuls öffnet die Blütenknospe. In den bunten Blütenblättern streckt sich das Pflanzenwesen noch einmal diastolisch aus, im Fruchtknoten ballt sie ihre Lebenskraft an einem Punkt konzentriert zusammen. Auf dem Blütenboden neben dem Fruchtknoten strecken sich die Staubblätter unter dem Einfluß des Mars diastolisch aus, um sich dann ebenfalls in den Pollenkörnchen auf radikalste Weise systolisch zu konzentrieren. Ätherische Öle und süßer Nektar bilden sich in der Blüte. Es sind die Hochzeitsgeschenke des Sonnenfeuers und der obersonnigen Planeten.
Mit dem Durchgang durch die Venus/Sonnen/Marssphäre ist der Höhepunkt der pflanzlichen Verkörperung erreicht. Nachdem Wind, Bienen oder Schmetterlinge die Befruchtung besorgt haben, bewegt sich das Pflanzenwesen in die Jupitersphäre hinein. Das Blütenfeuer erlischt. Der reiche Götterkönig Jupiter hüllt die reifende Frucht in saftig süßes Fruchtfleisch. Dem Laub, das allmählich seine grüne Lebenskraft einbüßt, verleiht er ein sattes Gelb, Orange und Rot. Was einst ungestüme Wachstumskraft war, verwandelt Jupiter in Zucker und Eiweiß, die sich in Frucht und Samen konzentrieren. Er salbt das Pflanzenwesen vor der Vollendung seiner Erdenreise mit schweren Ölen (Olive, Nüsse) oder harzigem Balsam. Die Pflanze gleicht nun dem Sannyasin oder dem buddhistischen Mönch im Saffrangewand, der ebenfalls der Welt der äußeren Erscheinung den Rücken kehrt und auf Heimkehr zum geistigen Ursprung bedacht ist.
Nun erreicht das Pflanzenwesen erneut die Schwelle zu den Urbildern, die Saturnsphäre. Saturn befreit die Pflanze von allem, was sie mit dem materiellen Dasein verbindet. Nun erfriert sie im saturnisch kalten Winterwind. Sie wird grau, spröde und zerfällt, von Pilzen und Bakterien verdaut zu Staub und Humus – bis auf die winzigen Samen, die wie altes Karma als Kristallisationspunkte für künftige Inkarnationszyklen im Mutterschoß der Erde oder im Sack des Sämanns Saturn (er ist der Weihnachtsmann mit seinem Sack voll Nüssen, Äpfeln und Getreidekuchen) zu rückbleiben. Der strenge Planet entläßt die Pflanzenwesen aus der Welt der Erscheinungen und weist ihnen den Weg zu den Fixsternen. Im neuen Zyklus wird er der erste sein, der sie wieder begrüßt.
Auch der Mensch wandert diese Planetenleiter vom Jenseits ins physische Dasein herab und wieder hinauf. Auch er durchwandert die makrokosmischen Planetensphären. Er tut dies jede Nacht unbewußt im Traum und unwiderruflich, wenigstens bis zur nächsten Inkarnation, wenn er stirbt. Woher wissen wir das? Schamanen und Visionäre in allen Kulturkreisen haben davon berichtet, denn sie machen diese Reise bei vollem Bewußtsein. Die Bilder, mit denen sie diese Wunder beschreiben, sind allerdings von Kultur zu Kultur verschieden. Einmal ist es der kosmische Baum, auf dessen Ästen sie hinaufklettern oder wie Vögel flattern; mal ist es die Jakobsleiter; heutzutage ist es oft ein UFO, das sie durch die Sphären trägt; mal sind es Engel, mal Götter, mal magische Tierwesen oder »Außerirdische«, die ihnen dort begegnen. Wenn die Sphärenwanderer darauf eingestimmt sind oder demütig darum bitten, können sie auch den Pflanzendevas dort begegnen. Wenn sie wirklich starke Schamanen sind und sehr hoch fliegen können, werden sie mit den Devas reden können wie mit jedem anderen
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