Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
ein solch schweres Los wohl auf immer erspart bleiben würde.
Er machte noch eine kurze Verbeugung. „Habe ich Eure Erlaubnis mich zurückzuziehen, Eure Majestäten?“
„Die habt Ihr, Dirick, nur eins noch.“ Etwas wie Kummer huschte über die markanten Gesichtszüge des Königs und Dirick erkannte dort Schmerz in den Augen seines Dienstherren. „Ihr solltet wissen, dass der Tod Eures Vaters mir große Trauer bereitet. Er war ein guter Mann und ein treuer Freund und Berater. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, Euch zu helfen den Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen.“
KAPITEL ZWEI
Es war spät am Abend der Christmette . Maris stapfte aus der Halle, hinaus in den Burghof durch den frisch gefallenen Schnee und hinüber zur Tür, hinter der sich der kleine Anbau befand, der ihren Kräutergarten beherbergte. Das kleine Häuschen war ihr Zuflucht und Befreiung zugleich.
Am heutigen Tage würde die Frau des Müllers wahrscheinlich ihr neues Baby bekommen und Maris würde als Heilerin an ihrer Seite sein. Es traf zwar zu, dass eine der Dorfhebammen oder sonstige Quacksalber dort sein könnten, um ihr zu helfen, aber Maris war es mittlerweile Leid, auf die Rückkehr ihres Vaters zu warten, und sie wollte nicht länger mit untätigen Händen herumsitzen.
Wenn sie ihren Händen etwas zu tun gab, würde das ihre Gedanken davon abhalten, noch weiter über die Tatsache nachzugrübeln, dass Allegra sich geweigert hatte ihr etwas mehr über Bon de Savrille zu erzählen.
Diese Sorge nagte irgendwie an ihr.
Ebenso wie die Erinnerung an Savrilles hungrigen Gesichtsausdruck, als er sie in der Halle betrachtet hatte.
Ein seltsames Schaudern – ein Schaudern des Unbehagens oder vielleicht der Furcht – wanderte ihr da rasch über Schultern und Rücken und hatte rein gar nichts mit der Kälte draußen zu tun.
Und wo war Papa? Er war lang über der Zeit fort und sein letzter Brief lag nun schon über einen Mond zurück, in dem er sich sicher gewesen war vor der Christmette wieder heimgekehrt zu sein. Sie vermisste ihn und sie wusste, mit ihm hätte sie ihre Sorgen besprechen können. Er würde sicherlich wissen, ob dieser Bon de Savrille eine echte Bedrohung darstellte oder nicht.
Da – als hätte ihr inniger Wunsch ihn herbeigezaubert – hörte Maris es: die Rufe und die aufgeregten Schreie aus dem Burghof.
„Reiter kommen! Die Standarte des Herrn!“
Sie wagte kaum zu hoffen, als sie geschwinden Fußes zum Kräutergarten hinaus rannte, wobei sie die Tür mit einem Knall gegen die Wand prallen ließ, als sie diese aufriss.
„Der Herr! Unser Herr kehrt zurück!“
Die jubelnden Schreie kamen von den Wachen, als diese das Fallgitter hochhievten und die Zugbrücke runterließen, und ihre Erleichterung und Aufregung verlieh Maris Flügel.
Aber als sie ihn sah – sah, dass er sich im Sattel kaum gerade halten konnte und dass seine Gesichtszüge ein teigiges Aussehen hatten, wie verdorbenes Fleisch –, erstickte das den Gruß in ihrer Kehle. Während sie ihn ansah, glitten seine Augen über den Burghof und alles darin, über die große Ansammlung von Menschen, die ihn zu begrüßen herbeigeeilt waren. Sie blieben schließlich an ihr hängen. Quer über den Hof hinweg spürte sie seine Erleichterung.
Entsetzliche Angst legte sich ihr plötzlich wie eine Klammer um die Brust und Maris lief auf ihn zu, sie achtete gar nicht auf die Gefahr, die ihr von seinem schlachterprobten Ross drohte, als ihr Vater ihr da gerade das dünnste aller Lächeln zuwarf – und auch das schien noch eine letzte große Anstrengung darzustellen.
Und dann sackte er nach vorne, glitt vom Sattel und fiel in den Schnee.
~*~
Es war schon lange nach dem abendlichen Mahl, bevor Maris sich sicher war, dass ihr Vater noch einmal verschont bleiben würde. Nach dem ersten tauben Gefühl der Panik hatte sie dann gleich wieder zu einer rastlosen Betriebsamkeit gefunden: in rascher Folge gab sie Befehle und trug Leibeigenen sowie Rittern und Soldaten unzählige Aufgaben auf.
Papas Knappe und Raymond de Vermille, sein treuer Waffenknecht, hatten ihn in die große Halle getragen, dann die aus Stein gehauenen Stufen hinauf, die zu dem privaten Gemach führten, das er und Allegra sich teilten. Maris ging ihnen voraus, wobei sie nach warmem Wasser rief, nach Leinentüchern in Bänder geschnitten, nach einer heißen Brühe und nach einer Reihe von Kräutern
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