Kraft des Bösen
wir beide besessen, mein Freund. Aber ich will Gerechtigkeit , nich t Rache.‹
›Wa s i n dies e m Fal l ei n un d dasselb e sei n könnte‹ , sagt e ich.
Wiesenthal schüttelte wieder den Kopf. ›Gerechtigkeit wird verlangt‹ , sagt e e r s o leise , da ß ic h ih n kau m höre n konnte . ›Sie wir d vo n de n Millione n Stimme n i n namenlose n Gräber n v e r langt , vo n rostende n Öfen , vo n leere n Häuser n i n tausen d St ü cken . Abe r nich t Rache . Rach e is t unwürdig.‹
›Wesse n nich t würdig? ‹ schnappt e ic h schneidender , al s ich beabsichtig t hatte.
›Unser‹ , sagt e Wiesenthal . ›Ihrer . Ihre s Todes . Unsere r fo r t dauernde n Existenz.‹
Ic h schüttelt e verneinen d de n Kopf , hab e seithe r abe r of t an dies e Unterhaltun g denke n müssen.
Wiesentha l wa r enttäuscht , willigt e abe r ein , weite r nac h j e de m Fetze n Informatio n z u suchen , au f de n mein e Beschr e i bung des Standartenführers paßte. Fünfzehn Monate später, nur wenig e Tag e nachde m ic h meine n Abschlu ß gemach t hatte, bekam ich einen Brief von Simon Wiesenthal. Darin befanden sic h fotokopiert e Abzüg e vo n Zahlungsanweisunge n a n ›S o n derberater ‹ vo n Sonderkommand o IV , Untergrupp e IV - B . W i e sentha l hatt e de n Name n Stand a rtenführe r Wilhel m vo n B o r cher t angestrichen , eine n Offizier , welche r de r Einsatzgrupp e 3 vo m Bür o vo n Reinhar d Heydric h al s Sonderbeauftragte r zu g e teil t worde n war . A n diese n Fotokopie n hin g zusätzlic h ein Zeitungsausschnitt aus Wiesenthals Archiv. Sieben lächelnde junge Offiziere posierten für das Bild anläßlich eines Konzerts de r Berline r Philharmonike r zugunste n de r Wehrmacht . Der Ausschnit t tru g da s Datu m 23/6/41 . Be i de m Konzer t wurde Wagne r gespielt . Di e Name n de r lächelnde n Offizier e waren aufgefüh r t . Bei m fünfte n vo n links , hinte r de n Schulter n seiner Kameraden kaum zu erkennen und mit tief ins Gesicht gezo g e ne r Mütze , handelt e e s sic h u m da s blass e Antlit z de s Standa r tenführers . De r Nam e i n de r Bildunterschrif t lautet e Oberle u t nan t Wilhel m vo n Bor c hert.
Zwe i Tag e späte r wa r ic h i n Wien . Wiesentha l hatt e seinen Korrespondente n aufgetragen , de n Hintergrun d vo n vo n B o r chert zu recherchieren, aber die Resultate waren enttäuschend. Die von Borcherts waren eine alteingesessene Familie mit ar i s tokratische n Wurzeln in Preußen und Ostbayern. Das Fami l i envermöge n stammt e au s Landbesitz , Schürfrechte n un d E x port von Kunstgegenständen. Wiesenthals Agenten konnten keinerle i Anhaltspunkt e vo n wege n Gebur t ode r Tauf e eines Wilhel m vo n Borcher t i n Unterlage n finden , di e bi s 188 0 z u rückreichten . Si e fande n allerding s ein e Todesanzeige . Laut eine r Meldun g i m Regene r Anzeige r mi t Datu m 19/7/4 5 war Standartenführe r Wilhel m vo n Borchert , einzige r Nachfahre de s Grafe n Klau s vo n Borchert , i n de r Schlach t gefallen , w ä h ren d e r Berli n heldenhaf t gege n sowjetisch e Invasore n vert e i digte . Di e Kund e hatt e de n alte n Grafe n i n seine m Somme r landsit z Waldhei m i m Bayerische n Wal d i n de r Näh e vo n B a y erisc h Eisenstei n erreicht , w o e r sic h mi t seine r Fra u aufhielt. Di e Famili e ba t di e All i ierte n u m Erlaubnis , da s Anwese n a u f zugebe n un d zu r Beerdigun g i n di e Näh e vo n Breme n zurü c kzukehren . Wilhel m vo n Borchert , hie ß e s i n de m Artike l w e i ter , hatt e fü r sein e Verdienst e da s Eisern e Kreu z erhalte n und wa r kur z vo r seine m To d zu r Beförderun g zu m Obergrupp e n führe r vorgeschlage n worden.
Wiesentha l hatt e seine n Leute n befohlen , andere n Hinw e i se n nachzugehen . E s ga b keine . 195 6 bestan d vo n Borcherts Famili e nu r noc h au s eine r ältere n Tant e i n Breme n un d zwei Neffen , di e da s Familienvermöge n zu m größte n Tei l durch Fehlinvestitione n i n de r Nachkriegszei t verlore n hatten . Das groß e Anwese n i n Ostbayer n wa r sei t Jahre n geschlossen , der größt e Tei l de r Jag d verkauf t worden , u m di e Steuer n zu b e z a h len . Sowei t Wiesenthal s begrenzt e Kontakt e i m Ostblock z u be richte n wußten , besaße n wede r di e Sowjet s noc h di e O s t deutsche n Informatione n übe r Lebe n un d To d vo n Wilhelm vo n Borchert.
Ic h flo g nac h Bremen , u m mi t de r Tant e de s Standartenfü h rer s z u sprechen , abe r di e alt e
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