Kraft des Bösen
verschaffen . Da s Gesich t in de r Meng e taucht e lediglic h di e wenige n Sekunde n auf , di e ich gesehe n hatte . Ei n Student , mi t de m ic h zusammenarbeitete, macht e freundlicherweis e Foto s vo m Monito r de s Sender s und vergrößert e sie , so wei t e s ging , fü r mich.
Auf diese Weise wirkte das Gesicht noch unkenntlicher als währen d de n zweieinhal b Sekunde n au f de m Bildschirm : eine weiß e Schlier e zwische n de n Krempe n texanische r Cowboyh ü te, der vage Eindruck eines dünnen Lächelns, Augenhöhlen so dunke l wi e Öffnunge n i n eine m Schädel . Da s Bil d hätt e vor keine m Gerich t de r Wel t al s Beweismateria l ausgereicht , aber ic h wußte , da ß e s de r Standartenführe r war.
Ic h flo g nac h Dallas . Di e Behörde n dor t reagierte n nac h der Kriti k i n de r Press e un d durc h d i e Weltöffentlichkeit noch empfindlich . Di e wenigste n wollte n mi t mi r sprechen , und noc h wenige r ware n bereit , sic h mi t mi r übe r di e Ereigniss e in der Tiefgarage zu unterhalten. Niemand kannte das Gesicht auf de n Fotos , di e ic h ihne n zeigt e wede r di e vo n de m Videoband noc h di e alte n Zeitungsfoto s au s Berlin . Ic h sprac h mi t Repo r tern . Ic h sprac h mi t Zeugen . Ic h versucht e mi t Jac k Rub y zu sprechen, dem Mörder des Mörders, bekam aber keine Erla u b nis dafür. Die Spur des Standartenführers war ein Jahr alt und s o kal t wi e de r Leichna m vo n Le e Harve y Oswald.
Ic h kehrt e nac h Ne w Yor k zurück . Ic h nah m mi t Bekannten be i de r israelische n Botschaf t Verbindun g auf . Si e bestritten, daß der israelitische Geheimdienst jemals auf amerikanischem Bode n agierte , versicherte n m i r aber , si e würde n gewiss e E r kundigunge n einziehen . Ic h heuert e eine n Privatdetekti v in Dalla s an . Sein e Rechnun g betru g siebentausen d Dollar , und seine n Berich t hätt e ma n mi t eine m einzige n Wor t zusamm e n fasse n können : Nichts . Di e Botschaf t berechnet e mi r nicht s für ihren negativen Bericht, aber ich bin sicher, meine Kontaktpe r sone n müsse n mic h fü r verrück t gehalte n haben , da ß ic h am Schauplat z eine s Präsidentenmorde s nac h eine m Kriegsverbr e che r suchte . Si e wußte n au s Erfahrung , da ß di e meiste n ehe m alige n Nazi s i n ihre m Exi l nu r Anonymitä t suchten.
Ic h fin g an , a n meine m Verstan d z u zweifeln . Da s Gesicht, da s sei t s o viele n Jahre n mein e Träum e heimsuchte , wa r e i n deuti g zu r zentrale n Besessenhei t meine s Leben s geworden. Al s Psychiate r konnt e ic h di e Zweisch n eidigkei t diese r Bese s senheit verstehen: Meine Fixierung, den Standartenführer zu finden , di e mi r i n eine m Vernichtungslage r i n Sobibo r ins Denken eingebrannt worden und durch den kältesten Winter meine r Seel e gehärte t worde n war , wa r mei n Grund zu leben g ewesen; nahm man das eine weg, löschte man das andere aus. Hätt e ic h mi r eingestanden , da ß de r Standartenführe r to t war, wär e da s au f mei n eigene s Todesurtei l hinausgelaufen.
Al s Psychiate r verstan d ic h mein e Besessenheit , Ich verstan d mein e eigene n Vernunftgründe , glaubt e abe r nicht daran . Un d selbs t wen n ic h si e geglaub t hätte , würd e ic h nicht a n meine r ›Heilung ‹ gearbeite t haben . Der Standartenführer wa r echt . Da s Schachspie l wa r ech t gewesen . De r Standart e n führe r wa r kei n Mann , de r i n eine r behelfsmäßig en Festung vor de n Tore n Berlin s um s Lebe n kam . E r wa r ei n Monster . Und Monste r sterbe n nicht . Si e müsse n getöte t werden.
I m Somme r 196 5 gelan g e s mi r endlich , Erlaubni s fü r ein Gespräc h mi t Jac k Rub y z u bekommen . E s wa r unergiebig. Rub y mi t seine m traurig e n Gesich t wa r di e bloß e Hüll e eines Menschen . E r hatt e i m Gefängni s abgenommen , los e Hau t hing an seinem Gesicht und den Armen wie schmutziges Wac h s tuch . Sein e Auge n ware n vag e un d abwesend , sein e Stimme heiser . Ic h versucht e a n diese m Novembertag , ih n au s seiner geistige n Verfassun g z u reißen , abe r e r zuckt e lediglic h die Achseln und wiederholte, was er so oft bei den Verhören g e sag t hatte . Nein , e r hatt e ers t unmittelba r vo r de r Ta t gewußt, da ß e r Oswal d erschieße n würde . E r hatt e nu r aufgrun d eines Vers ehens Zutritt zu der Tiefgarage erhalten. Etwas war über ih n gekommen , al s e r Oswal d sah , ei n Impuls , de n e r nich t u n terdrücke n konnte .
Weitere Kostenlose Bücher