Kraft des Bösen
eines Skilifts erkennen. Kleinwagen mit Schneeketten und Dachgepäckträgern fuhren auf Straßen, die wenig mehr waren als Korridore aus festgestampftem Eis und Schnee. Harod erschauerte, als kalte Luft zu den hinteren Fenstern ihres Mietwagens hereinwehte. Die Spitzen von zwei Paar Langlaufskiern, die Maria Chen heute morgen im Hotel geliehen hatte, ragten zu einem Spalt im hinteren Fenster auf der Beifahrerseite hinaus. »Glaubst du, wir brauchen die verdammten Dinger?« fragte er und nickte mit dem Kopf zum Rücksitz.
Maria Chen lächelte und streckte zehn lackierte Nägel hoch. »Vielleicht«, sagte sie. Sie studierte den Shell-Autoatlas und verglich ihn mit einer topographischen Karte. »Nächste links«, sagte sie. »Dann sechs Kilometer bis zur privaten Zufahrtsstraße.«
Der BMW schlitterte und rutschte die letzten eineinhalb Kilometer auf der >Zufahrtsstraße<, bei der es sich um nicht mehr als zwei Spuren im Schnee zwischen den Bäumen handelte. »Jemand ist erst vor kurzem hier gewesen«, sagte Harod. »Wie weit bis zum Anwesen?«
»Nach der Brücke noch einen Kilometer«, sagte Maria Chen.
Die Straße machte eine Biegung durch eine dichte Gruppe kahler Bäume, und da war die Brücke zu sehen - eine schmale Holzkonstruktion hinter einem gestreiften Schlagbaum, der solider aussah als an der tschechischen Grenze. Zwanzig Meter flußabwärts befand sich eine kleine Holzhütte im alpenländischen Stil. Zwei Männer kamen heraus und gingen langsam auf das Auto zu. Harod rechnete insgeheim damit, daß sich jeder in dieser ländlichen Gegend ins winterliche Äquivalent von Lederhosen und Pelzmützen kleiden würde, aber diese beiden trugen braune Wollhosen und helle Steppjacken. Harod fand, sie sahen wie Vater und Sohn aus, der jüngere Mann schien Ende Zwanzig zu sein. Der Sohn trug ein Jagdgewehr locker in der Armbeuge.
Der ältere Mann grüßte lächelnd. Maria Chen übersetzte: »Sie wünschen uns einen guten Morgen und fragen, ob wir uns verfahren haben. Sie sagen, dies ist Privatbesitz.«
Harod lächelte den beiden zu. Der ältere ließ beim Grinsen Goldzähne sehen; der Sohn verzog keine Miene. »Wir haben uns nicht verirrt«, sagte Harod. »Wir sind gekommen, um Willi zu besuchen - Herrn von Borchert. Er hat uns eingeladen. Wir sind den ganzen Weg von Kalifornien hierhergekommen.«
Als der alte Mann verständnislos die Stirn runzelte, übersetzte Maria Chen wie aus der Pistole geschossen ins Deutsche.
Wieder sprach der Ältere. »Er hat gesagt, Herr von Borchert lebt nicht mehr hier«, übersetzte Maria Chen. »Seit vielen Jahren nicht mehr. Das Anwesen ist geschlossen. Schon seit Jahren. Keine Besucher.«
Harod grinste und schüttelte den Kopf. »Warum bewacht ihr beiden das Gut dann noch, hm?«
Der alte Mann lächelte: »Die Familie bezahlt, damit es nicht zu Vandalismus kommt«, übersetzte Maria Chen. »Äh ... bald ... sehr bald wird dies Teil des Nationalparks. Das alte Haus wird abgerissen. Bis dahin bezahlt der Neffe . von Borcherts Neffe, nehme ich an, Tony . der Neffe schickt Schecks aus Bonn und wir halten Eindringlinge und Wilderer fern, wie der Vater früher. Der Sohn wird sich eine andere Arbeit suchen müssen.« Sie fügte hinzu: »Die werden uns nicht durchlassen, Tony.«
Harod gab dem Mann eine knappe, dreiseitige Zusammenfassung von Bill Bordens bevorstehendem Projekt The White Slaver. Ein Hundertmarkschein war gerade noch zwischen den Seiten zu erkennen. »Sag ihm, daß wir von Hollywood auf der Suche nach Drehorten gekommen sind«, sagte Harod. »Sag ihm, das alte Anwesen würde ein prima Spukschloß abgeben.«
Maria Chen gehorchte. Der alte Mann betrachtete den Hefter und das Geld und gab beides beiläufig zurück.
»Was hat er gesagt?« wollte Harod wissen.
»Er stimmt zu, daß das Anwesen eine Eins-a-Kulisse für einen Horror-Film abgeben würde«, sagte Maria Chen. »Er behauptet, daß es dort tatsächlich spukt. Aber er glaubt nicht, daß noch mehr Geister erforderlich sind. Er sagt, wir sollen umdrehen, damit wir nicht steckenbleiben, und wünscht uns einen guten Tag.«
»Sag ihm, er soll sich ins Knie ficken«, sagte Harod und lächelte die beiden Männer an.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Maria Chen.
»Bitte sehr«, sagte der alte Mann.
»Think nothing of it«, sagte der junge Mann mit dem Gewehr.
Harod fuhr den BMW den langen Feldweg zurück, bog auf der Landstraße nach Westen ab und fuhr eine halbe Meile, dann parkte er das Auto fünfzehn Schritte
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