Kraft des Bösen
von einem Zaun entfernt im flachen Schnee, Er holte eine Drahtschere aus dem Kofferraum und schnitt den Zaun an vier Stellen durch. Mit den Stiefeln kickte er die Stränge beiseite. Hinter den Bäumen konnte man die Schnittstelle von der Straße aus nicht erkennen, außerdem herrschte sowieso kaum Verkehr. Harod ging zum Auto zurück, tauschte die Bergstiefel gegen Langlauf-Skistiefel mit seltsamen Spitzen und ließ sich von Maria Chen auf die Ski helfen.
Harod war zweimal Ski gefahren, beide Male während Querfeldeintouren im Sun Valley, einmal mit der Nichte von Dino de Laurentiis und Ann Margaret, und es hatte ihm beide Male nicht gefallen.
Maria Chen ließ ihre Handtasche im Auto, steckte die Browning unter dem Pullover in den Bund der Knickerbocker, steckte ein zusätzliches Magazin in die Tasche ihrer Steppweste, hängte sich ein kleines Fernglas um den Hals und ging durch das Loch im Zaun voraus. Harod stapfte ihr linkisch hinterher.
Er fiel auf der ersten Meile zweimal hin und fluchte jedesmal vor sich hin, wenn er wieder aufstand, während Maria Chen ihn verhalten lächelnd beobachtete. Abgesehen vom leisen Schaben ihrer Ski, dem gelegentlichen Keckem von Eichhörnchen und dem keuchenden Bellen von Harods Atem waren keine Laute zu hören. Als sie etwa zwei Meilen gegangen waren, blieb Maria Chen stehen und konsultierte ihren Kompaß und die topographische Karte.
»Da ist ein Bach«, sagte sie. »Den können wir unten am Baumstamm überqueren. Das Anwesen müßte dann auf einer Lichtung etwa einen Kilometer in dieser Richtung sein.« Sie deutete auf einen dichten Teil des Waldes.
Noch drei Footballfelder, dachte Harod, der nach Atem rang. Er mußte an das Jagdgewehr des jüngeren Mannes denken und überlegte sich, wie nutzlos die Browning bei einem Schußwechsel mit den beiden sein würde. Und es wäre durchaus möglich, daß Jensen und Luhar und ein Dutzend weitere Sklaven von Willi mit Uzis und Mac-10s im Unterholz lauerten. Harod holte noch einmal Luft und bemerkte die Verkrampfung in seinen Eingeweiden. Scheiß drauf, dachte er. Er hatte sich den Arsch aufgerissen, um bis hierher zu kommen. Er würde nicht gehen, bevor er herausgefunden hatte, ob Willi hier war.
»Gehen wir«, sagte er. Maria Chen nickte, steckte die Karte in die Tasche und fuhr mit den Skiern anmutig voraus.
Vor dem Haus lagen zwei Leichen.
Harod und Maria kauerten hinter einem Fichtendickicht und betrachteten die Leichen abwechselnd durch das Fernglas. Aus einer Entfernung von fünfzig Schritten hätte es sich bei den dunklen Bündeln im Schnee um alles mögliche handeln können etwa Schmutzwäsche -, aber das Fernglas zeigte die schwache Krümmung einer weißen Wange und in einem Winkel abgespreizte Gliedmaßen, die einem Schlafenden unerträgliche Schmerzen bereitet haben würden. Diese beiden schliefen nicht.
Harod sah noch einmal hin. Zwei Männer. Dunkle Mäntel. Lederhandschuhe. Einer hatte einen braunen Filzhut getragen; dieser lag sechs Schritte entfernt im Schnee. Der Schnee selbst war um die Leichen herum mit Blut getränkt. Eine rote Spur verlief zwischen den Fußspuren zur Verandatür des alten Herrenhauses. Dreißig Meter in östlicher Richtung verliefen tiefe parallele Furchen im Schnee, weitere Fußspuren zum oder vom Haus und große pulvrige Schneeverwehungen, als wäre ein Ventilator nach unten gerichtet worden. Helikopter, dachte Harod.
Keine Spuren von Automobilen, Schneemobilen oder anderen Skifährten. Der Weg, der zur Zufahrt führte, wo er und Maria vorhin angehalten worden waren, war wenig mehr als eine verschneite Lücke zwischen den Bäumen. Von hier konnten sie die Alpenhütte und die Brücke nicht sehen.
Das Haupthaus war eindeutig mehr als eine typische Villa, eindeutig etwas weniger als ein Schloß. Ein gewaltiger Berg dunkler Steine und schmaler Fenster mit Flügeln und Stockwerken, der den Eindruck vermittelte, als wäre er als eindrucksvolle Burg geplant und über Generationen hinweg angebaut worden. Hier und da veränderten sich die Farbe der Steine und Größe der Fenster, aber der allgemeine Eindruck blieb düster: dunkles Mauerwerk, wenig Glas, schmale Türen, massive Mauern, auf die die Schatten kahler Bäume gemalt waren. Harod fand, dies paßte besser zu Willis Persönlichkeit als die Bananenrepublikvilla in Bel Air.
»Was jetzt?« flüsterte Maria Chen.
»Sei still«, sagte Harod, hob das Fernglas und betrachtete noch einmal die beiden Leichen. Sie lagen nicht weit voneinander
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