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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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diesen Schreibtisch hinausgehen.«
    Gentry nickte und beugte sich noch weiter vor, damit er ihr direkt ins Ohr flüstern konnte. »Miß Preston ist meine Verlobte. Sie ist nicht ganz damit einverstanden, darum hatte ich sie unten in meinem Keller eingesperrt. Sie hat gestern versucht auszubüchsen, als wir auf Zechtour waren, daher mußte ich ihr eine Tracht Prügel verpassen. Lester ist jetzt oben und hält sie mit der Waffe in Schach, bis ich wieder da bin.«
    Gentry drehte sich noch einmal um und blinzelte, ehe er den Fahrstuhl betrat. Miß Howells Haltung war so makellos wie zuvor, aber die Brille war ihr an der Nase heruntergerutscht und ihr Mund stand ein wenig offen.
    Natalie sah auf, als Gentry das Doppelzimmer betrat, das sie für sich allein hatte.
    »Guten Morgen und fröhliche Weihnacht!« rief er. Er zog ihr Rolltablett herüber und stellte die weiße Tüte darauf. »Ho, ho, ho.«
    »Fröhliche Weihnacht«, sagte Natalie. Ihre Stimme klang gequält und heiser. Sie zuckte zusammen und hob die linke Hand zum Hals.
    »Haben Sie die Blutergüsse dort schon gesehen?« fragte Gentry, der sich nach vorn beugte und sie selbst noch einmal begutachtete.
    »Ja«, flüsterte Natalie.
    »Wer das getan hat hatte Finger wie Van Cliburn«, sagte Gentry. »Wie geht es Ihrem Kopf?«
    Natalie berührte den großen Verband an der linken Kopfseite. »Was ist passiert?« fragte sie heiser. »Ich meine, ich kann mich erinnern, daß ich gewürgt wurde, aber nicht, daß ich mir den Kopf angestoßen habe .«
    Gentry holte weiße Essenskartons aus Styropor aus der weißen Tüte. »War der Doktor schon hier?«
    »Seit ich wach bin, nicht.«
    »Doc glaubt, daß Sie gegen die Autotür gestoßen sein müssen, als Sie mit dem Mann gekämpft haben«, sagte Gentry. Er nahm die Deckel von großen Plastikbechern voll dampfendem Kaffee und durchsichtigen Plastikgläsern voll Orangensaft. »Nur eine Prellung, die ein bißchen geblutet hat. Das Würgen hat Sie ausgeknockt.«
    Natalie berührte den Hals und verzog angesichts der Erinnerung das Gesicht. »Jetzt weiß ich, wie es ist, erwürgt zu werden«, sagte sie mit einem kläglichen Lächeln.
    Gentry schüttelte den Kopf. »Nee. Er hat Sie mit einem Würgegriff bewußtlos gemacht, indem er die Blutzufuhr zum Gehirn unterbunden, nicht aber die Luft abgestellt hat. Hat gewußt, was er tat. Ein bißchen mehr, und wir müßten mit Hirnschäden rechnen. Möchten Sie ein englisches Brötchen zu Ihrem Rührei?«
    Natalie betrachtete das riesige Frühstück, das vor ihr ausgebreitet war: Kaffee, getoastete Brötchen, Eier, Würstchen, Orangensaft und Obst. »Wo, um Himmels willen, haben Sie das alles her?« fragte sie fassungslos. »Sie haben mir schon ein Frühstück gebracht, das ich nicht essen konnte - pochierte Eier wie Gummi und dünnen Tee. Welches Restaurant hat am Weihnachtsmorgen geöffnet?«
    Gentry nahm den Hut ab, hielt ihn über das Herz und sah betroffen drein. »Restaurant? Restaurant? Aber Ma’am, dies ist eine christliche, gottesfürchtige Stadt. Heute morgen hat kein Restaurant geöffnet . außer vielleicht Tom Delphins Imbiß an der Interstate. Tom ist Atheist. Nein, Ma’am, diese Köstlichkeiten stammen direkt aus der Küche Ihres Verehrers. Und jetzt essen Sie, bevor alles kalt wird.«
    »Danke ... Sheriff«, sagte Natalie. »Aber ich kann das nicht alles essen .«
    »Sollen Sie auch nicht«, sagte Gentry. »Es ist auch mein Frühstück. Hier ist Pfeffer.«
    »Aber mein Hals .«
    »Doc sagt, er wird eine Weile weh tun, aber essen können Sie trotzdem. Los jetzt.«
    Natalie machte den Mund auf, sagte aber nichts, sondern griff statt dessen nach einer Gabel.
    Gentry holte ein kleines Transistorradio aus der Tüte und stellte es auf den Tisch. Die meisten Mittelwellensender brachten Weihnachtslieder. Er fand einen Klassik-Sender, der Handels Messias spielte, und ließ die Musik laufen.
    Natalie schienen die Rühreier zu schmecken. Sie trank einen Schluck Kaffee und sagte: »Ausgezeichnet, Sheriff. Was ist mit Lester?«
    »Den kann man nicht immer zutreffend mit ausgezeichnet beschreiben«, sagte Gentry.
    »Nein, ich meine, ist er noch da?«
    »Nee«, sagte Gentry. »Er ist bis Mittag im Büro. Dann kommt Stewart ihn ablösen. Machen Sie sich keine Sorgen, Lester hat schon gefrühstückt.«
    »Guter Kaffee«, sagte Natalie. Sie sah Gentry über das Durcheinander der Plastikbecher hinweg an. »Lester hat gesagt, Sie haben die ganze Nacht hier verbracht.«
    Es gelang Gentry, das

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