Kraft des Bösen
Worte des alten Ausbilders: »Wenn sie nicht bereit sind, feuert. Wenn sie bereit sind, feuert. Wenn sie Geiseln haben, feuert. Wenn es mehr als ein Ziel gibt feuert. Zwei Schüsse für jeden, zwei. Denkt nicht nach - feuert.«
Aber dies waren keine Geiseln; es waren seine Töchter - Rebecca und Reah. Aaron konnte die Mickymaus-Bilder auf ihren Pyjamas sehen. Er richtete die kleine Beretta auf die erste Skimaske. Auf dem Schießstand wäre er selbst bei schlechtem Licht jede Wette eingegangen, daß er zwei Schuß in jedes Ziel abfeuern konnte, das so groß wie der Kopf eines Menschen war, um dann herumzuwirbeln, ohne die ausgestreckten Arme anzuwinkeln, und zwei weitere Schüsse ins zweite Gesicht zu feuern. Auf fünfzehn Schritt Entfernung war Aaron imstande gewesen, das gesamte Magazin mit zehn Schuß Kaliber 22 in einen faustgroßen Kreis zu schießen.
Aber dies waren seine Töchter.
»Lassen Sie die Waffe fallen.« Die tonlose Stimme des Mannes wurde durch die Skimaske gedämpft. Sein Revolver - ein 38er mit der langen, schwarzen Röhre eines Schalldämpfers, war nicht einmal genau auf Beckys Kopf gerichtet. Aaron war sicher, daß er beide Männer erschießen konnte, bevor sie zum Abdrücken kamen. Er spürte die Sohlen seiner bloßen Füße auf dem Holzboden. Zwei Sekunden waren verstrichen, seit er den Flur betreten hatte. Niemals die Waffe hergeben, hatte Eliahu ihnen in dem heißen Sommer in Tel Aviv eingebleut. Niemals. Immer schießen, um zu töten. Es ist besser, wenn ihr oder die Geisel verwundet werdet oder sterbt, und der Feind getötet wird, als die Waffe herzugeben.
»Fallen lassen.«
Aaron legte immer noch kauernd die Beretta auf den Boden und streckte die Hände aus. »Bitte. Bitte tun Sie meinen Kindern nichts.«
Es waren acht. Sie banden Aaron die Hände mit chirurgischem Klebeband von einer Rolle auf den Rücken, zogen Deborah hinter dem Bett hervor und brachten alle vier nach unten ins Wohnzimmer. Zwei der maskierten Männer gingen in die Küche.
»Moddy, die Leitung war tot«, keuchte Deborah, ehe ihr der Mann, der sie zog, Klebeband über den Mund klebte.
Aaron nickte. Er wußte nicht, ob er ein Wort herausgebracht hätte.
Der Anführer ließ Aaron auf einen Klavierhocker sitzen. Deborah und die Mädchen saßen mit den Rücken zur Wand auf dem Boden. Die Kinder hatten sie nicht gefesselt oder geknebelt, beide Mädchen weinten und klammerten sich an ihre Mutter. Ein Mann in Drillichjacke, Jeans und Skimaske kauerte jeweils auf einer Seite von ihnen. Als der Anführer nickte, z> gen die sechs ihre Skimasken ab.
O Gott, sie werden uns umbringen, dachte Aaron. In diesem Augenblick hätte er alles darum gegeben, hätte er die Zeit noch einmal drei Minuten zurückdrehen können. Er hätte zweimal geschossen, wäre herumgewirbelt, hätte zweimal geschossen, wäre herumgewirbelt .
Alle sechs Männer waren eindeutig weiß, braungebrannt und ordentlich frisiert. Sie sahen nicht wie palästinensische Agenten oder Baader-Meinhof-Kommandos aus. Sie sahen aus wie die Männer, an denen Aaron jeden Tag auf den Straßen von Washington vorbeiging. Derjenige, der vor ihm stand, beugte sich herunter, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. Die Augen des Mannes waren blau, seine Zähne makellos. Er hatte einen leichten MittelwestAkzent. »Wir möchten mit Ihnen reden, Aaron.«
Aaron nickte. Seine Hände waren so fest hinter dem Rücken verschnürt daß die Blutzirkulation unterbunden wurde. Wenn er sich auf dem Hocker rückwärts kippen ließ, konnte er dem Mann, der sich über ihn beugte, vielleicht einen festen Tritt verpassen. Die anderen fünf waren bewaffnet und so weit entfernt, daß er sie unter keinen Umständen erreichen konnte. Aaron schmeckte Galle und wollte sein Herz zwingen, nicht mehr so rasend zu schlagen.
»Wo sind die Fotos?« fragte der stattliche Mann neben ihm.
»Was für Fotos?« Aaron konnte nicht glauben, daß seine Stimme funktionierte, geschweige denn, daß sie so fest und emotionslos klang.
»Ach, Moddy, spielen Sie keine Spielchen mit uns«, sagte der Mann und nickte einem hageren Mann an der Wand zu. Dieser schlug der vierjährigen Betty, ohne eine Miene zu verziehen, ins Gesicht.
Das Kind wimmerte. Deborah wehrte sich gegen ihre Fesseln und schrie hinter dem Klebeband auf. Aaron fuhr von dem Hocker in die Höhe. »Hurensohn!« schrie er auf hebräisch. Der hübsche Mann trat Aarons Beine unter ihm weg. Aaron landete hart auf der rechten
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