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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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bitte aufhören! Ich mache es!« schrie Aaron. Der dünne Mann hatte den Schalldämpfer an Rebeccas Schläfe gehalten und den Hahn der 38er gespannt. Er hielt angesichts von Aarons Schreien nicht inne, sah nicht einmal auf.
    »Einen Augenblick bitte, Donald«, sagte der hübsche Mann. Er hielt das Papier vor Aarons Gesicht und schaltete den Recorder ein.
    »Onkel Saul, Deb und den Kindern und mir geht es gut, aber bitte tu, was sie sagen ...« begann Aaron. Er las die wenigen Abschnitte. Es dauerte nicht einmal eine Minute.
    »Sehr gut Aaron«, sagte der hübsche Mann. Zwei Männer packten wieder Aarons Haar und zogen ihm den Kopf weit zurück. Aaron rang keuchend nach Atem und versuchte, aus den Augenwinkeln zu sehen.
    Das Laken wurde entfernt und weggetragen. Ein Mann holte eine schwarze Plastikplane aus der Tasche und rollte sie vor Deborah auf dem Boden aus. Sie war nicht größer als neunzig mal einszwanzig und roch wie ein billiger Duschvorhang.
    »Bringt ihn hierher«, sagte der hübsche Mann, worauf Aaron wieder zu dem Klavierhocker gezerrt wurde. In dem Augenblick, als sie sein Haar losließen, handelte Aaron - er fuhr die Beine wie eine Sprungfeder aus, rammte dem hübschen Mann den Kopf ans Kinn, wirbelte herum, stieß einen anderen in den Magen, wich den sechs Händen aus, die nach ihm griffen, trat einem zwischen die Beine, verfehlte und sank dann nieder, ein Mann unter ihm, zwei auf ihm, schlug sich die rechte Wange wieder an, fest achtete aber nicht darauf ...
    »Fangen wir noch einmal von vorne an«, sagte der hübsche Mann leise, Er betastete eine Platzwunde am Kinn, gähnte und streckte die Kiefermuskeln. Der Bluterguß würde wahrscheinlich größtenteils unter dem Kinn sein.
    »Wer sind Sie?« keuchte Aaron, als sie ihn in die Höhe zerrten und auf den Klavierhocker setzten. Jemand klebte ihm die Knöchel zusammen.
    Niemand antwortete. Der dünne Mann zog Deborah nach vorne, bis sie auf der schwarzen Plastikplane kniete. Zwei Männer hielten zwölf Zentimeter lange dünne Drähte, die an einem Ende zugespitzt waren und am anderen in einen Holzgriff eingebettet waren. Im Zimmer roch es nach Gas. Der Geruch verursachte Aaron Brechreiz.
    »Was haben Sie vor?« Aarons Stimme war so trocken, daß die Worte kaum mehr als Krächzlaute wurden. Noch während der hübsche Mann antwortete, spürte Aaron sein Denken wegrutschen wie ein Automobil auf schwarzem Eis, spürte seinen Blickpunkt wandern, bis er auf das alles herabsah, akzeptierte nicht, was als nächstes passieren würde, wußte aber, was passieren würde, spürte - in seinem völligen Unvermögen, eine Sekunde der Vergangenheit oder Zukunft zu verändern - die unglaubliche, unerbittliche Woge der Hilflosigkeit, die hundert Generationen Juden vor ihm verspürt hatten, an den Klappen der Öfen, an den Türen der Duschen, beim Anblick von Flammen, welche von alten Städten aufstiegen und beim Klang der Rufe von Gojim, die erbittert und nahe ertönten. Onkel Saul wußte es, dachte Aaron, während er die Augen zukniff und seinen Verstand zwingen wollte, die Worte nicht zu verstehen.
    »Es wird eine Gasexplosion stattfinden«, sagte der hübsche Mann. Er hatte eine geduldige Stimme - die Stimme eines Lehrers. »Ein Feuer. Die Leichen wird man im Bett finden. Sehr schlimm verbrannt. Ein sehr guter Gerichtsmediziner oder Leichenbeschauer könnte vielleicht feststellen, daß die Leichen, kurz bevor das Feuer sie verbrannt hat, gestorben sind, aber das wird man nicht entdecken. Der Draht fährt vom Augenwinkel ... direkt ins Gehirn. Das hinterläßt ein sehr winziges Loch.
    Selbst an einem Leichnam, der nicht verbrannt ist.« Er wandte sich an die anderen. »Ich glaube, Mrs. Eshkol wird oben im Flur gefunden werden - in jedem Arm ein Kind - wäre den Flammen beinahe entkommen. Macht zuerst die Frau. Dann die Zwillinge.«
    Aaron wehrte sich, trat um sich, schrie. Hände und Arme hielten ihn fest. »Wer sind Sie?« kreischte er.
    Überraschenderweise antwortete der hübsche Mann. »Wer wir sind?« sagte er. »Wir sind niemand. Überhaupt niemand.« Er ging aus dem Weg, damit Aaron besser sehen konnte, was die anderen machten.
    Als sie schließlich mit dem Draht zu ihm kamen, wehrte Aaron sich nicht mehr.
     

18. Kapitel
     
    Melanie
     
    Als ich mit dem Bus durch die endlosen Reihenhäuser der Elendsviertel von Baltimore und die Industriekloake Wilmington nach Norden fuhr, fiel mir eine Zeile aus den Schriften des heiligen Augustinus ein: >Der Teufel hat

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