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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Feuerball nach außen. Plötzlich flog Saul durch die Luft auf die drei Männer in den dunklen Anzügen zu. Deren erhobene Arme wurden rückwärts gerissen, eine der Pistolen ging los - lautlos im überwältigenden Lärm, der durch den Flur toste -, und dann flogen sie ebenfalls, stolperten rückwärts und prallten Sekundenbruchteile vor Saul gegen die Wand am Ende des Flurs.
    Nach dem Aufprall, noch während eine Woge der Dunkelheit über ihm zusammenschlug, hörte Saul das Echo - nicht der Explosion, sondern der Stimme des alten Mannes, die sagte:
    »Auf Wiedersehen.«

20. Kapitel
     
    New York: Freitag, 26. Dezember 1980
     
    Sheriff Gentry flog gerne, aber sein Ziel konnte er nicht ausstehen. Das Fliegen gefiel ihm, weil er das Phänomen, in einer Druckluftröhre, die Tausende Meter über den Wolken schwebte, in einen Sitz gezwängt zu sein, als klaren Ansporn zum Meditieren empfand. Sein Ziel, New York, erschien ihm stets als Versuchung, sich anderen Stadien der Geistlosigkeit hinzugeben: Herdentrieb, Straßenkriminalität, Paranoia, Informationsüberlastung oder stammelndem Irrsinn. Gentry war schon vor langer Zeit zum Ergebnis gekommen, daß er kein Großstadtmensch war.
    Gentry kannte sich in Manhattan aus. Als er vor zwölf Jahren im College gewesen war, auf dem Höhepunkt der VietnamÄra, hatten er und seine Freunde mehr als nur einige Wochenenden in der Stadt verbracht - einmal hatten sie ein Auto in Chicago gemietet, wo seine Freundin in einer HertzZweigstelle in der Nähe der Universität gearbeitet hatte, stellten den Meilenstand um zweitausend Meilen zurück und fuhren in einem Rutsch durch. Nach vier Tagen ohne Schlaf mußten die sechs in den frühen Morgenstunden zweihundert Meilen durch die Vororte von Chicago fahren, um die tatsächliche Meilenzahl auf die Zahl und darüber hinaus zu bringen, die auf dem Formular eingetragen gewesen war.
    Gentry fuhr mit dem Pendelbus zum Abfertigungsgebäude. Dort nahm er sich ein Taxi zum Hotel Adison in der Nähe des Times Square. Das Hotel war alt und kam langsam in Verruf, die Kundschaft bestand fast nur noch aus Nutten und Touristen aus der finstersten Provinz, aber es wahrte dennoch eine gewisse matronenhafte Aura von Stolz. Der puertoricanische Koch in der Cafeteria war laut, grob und verstand sein Handwerk, und das Zimmer kostete nur ein Drittel dessen, was die meisten anderen Hotels in Manhattan verlangten. Als er das letzte Mal in New York gewesen war, um einen überführten Achtzehnjährigen zu überstellen, der vier Ladenbesitzer in Charleston ermordet hatte, hatte das County Gentrys Spesen bezahlt und sein Zimmer gebucht.
    Gentry spülte die Erschöpfung der Reise unter der Dusche ab, zog bequeme Cordhosen, einen alten Rollkragenpullover, seine braune Cordsportjacke, eine Mütze und einen Mantel an, der in Charleston gute Dienste leistete, hier aber kaum imstande war, den Winterwind von New York abzuhalten. Er zögerte, dann nahm er die 357er Ruger aus dem Koffer und steckte sie in die Manteltasche. Nein, zu klobig und auffällig. Er schob sie in den Bund der Cordhose. Auf keinen Fall. Er besaß kein Ansteckhalfter für die Ruger; er trug immer Gürtel und Halfter zur Uniform und trug die 38er Police Special, wenn er dienstfrei hatte. Warum hatte er bloß die Ruger statt der kleineren Waffe mitgenommen? Schließlich steckte er die Waffe in die rechte Tasche der Sportjacke. Trotzdem würde er den Mantel draußen in der Kälte aufgeknöpft lassen und drinnen nicht ablegen können, wenn die Waffe niemandem auffallen sollte. Und wenn schon, dachte Gentry. Wir können nicht alle Steve McQueen sein.
    Bevor er das Hotel verließ, rief er bei sich zu Hause an und betätigte den Fernabruf. Er rechnete nicht mit einer Nachricht von Natalie, hatte aber während des ganzen Fluges an sie denken müssen und freute sich darauf, ihre Stimme zu hören. Ihre Nachricht war die erste. »Rob, hier spricht Natalie. Es ist gegen zwei Uhr St.-Louis-Zeit. Ich bin gerade in St. Louis angekommen, breche aber mit dem nächsten Flug nach Philadelphia auf. Ich glaube, ich habe einen Anhaltspunkt, wo wir Melanie Fuller finden können. Sieh auf Seite drei der heutigen Zeitung von Charleston nach - wahrscheinlich wird aber auch eine der New Yorker Zeitungen darüber berichten. Bandenmorde in Germantown. Ja, ich weiß nicht, warum die alte Frau etwas mit Bindenkriegen zu tun haben sollte, aber es geschah in Germantown. Saul hat gesagt, am besten findet man diese Leute, indem man

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