Kraft des Bösen
wahrhaft unvorstellbaren Fähigkeiten. Aber jetzt ergab nichts mehr einen Sinn. Es sei denn ...
Es sei denn, es gab noch mehr von ihnen.
Gentry fuhr kerzengerade hoch. Saul hatte mit jemandem hier in Washington reden wollen. Trotz des gewonnenen Vertrauens wollte er nicht enthüllen, mit wem er sich traf. Familienangehörige. Aus welchem Grund? Gentry erinnerte sich an die Qual, mit der Saul vom Verschwinden seines angeheuerten Detektivs berichtet hatte - Francis Harrington. Möglicherweise hatte Saul um Hilfe gebeten. Einen Neffen von der israelischen Botschaft? Aber vielleicht war sonst noch jemand verwickelt. Wer? Die Regierung? Saul konnte sich keinen Grund vorstellen, weshalb die Regierung einen ehemaligen Nazi schützen sollte. Was aber, wenn es noch mehr wie den Standartenführer, die Fuller und die Drayton gab?
Der Sheriff drehte sich um und zog den Mantel enger um sich. Es war ein klarer, heller Tag. Die Temperaturen lagen um die null Grad. Karger Wintersonnenschein überzog das trockene und braune Gras im Park mit einem goldenen Schimmer.
An der Ecke beim Washington Hotel fand er einen Münzfernsprecher und rief mit seiner Kreditkarte in Charleston an. Immer noch keine Nachricht von Natalie. Gentry nahm die Nummer, die er aus dem Telefonbuch im Hotelzimmer abgeschrieben hatte, und rief in der israelischen Botschaft an. Er fragte sich, ob an deren Sabbat überhaupt jemand dasein würde.
Eine Frau antwortete.
»Hallo«, sagte Gentry und unterdrückte den plötzlichen Drang, »Shalom« zu sagen. »Könnte ich bitte mit Aaron Eshkol sprechen?«
Nach kurzem Zögern sagte die Frau: »Wer spricht, bitte?«
»Sheriff Robert Gentry.«
»Einen Augenblick, bitte.«
Der Augenblick dauerte fast zwei Minuten. Gentry hielt den Telefonhörer ans Ohr und betrachtete das Gebäude des Schatzamts auf der anderen Straßenseite.
Wenn es noch mehr Menschen - Gedankenvampire - wie den Standartenführer gab, würde das eine Menge erklären. Zum Beispiel, weshalb der Standartenführer es für erforderlich hielt, seinen eigenen Tod vorzutäuschen. Und warum der County-Sheriff von Charleston seit über eineinhalb Wochen beschattet wurde. Und warum Gentry ihm die Zähne einschlagen wollte, wenn ein gewisser FBI-Agent auch nur den Mund aufmachte. Und was mit einem gewissen Album voll blutrünstiger Zeitungsausschnitte geschehen war, das man zuletzt am Schauplatz eines Mordes gesehen hatte .
»Hallo.«
»Oh, hi. Mr. Eshkol, hier spricht Sheriff Bobby Gentry ...«
»Nein, hier spricht Jack Cohen.«
»Oh. Nun, Mr. Cohen, ich wollte Aaron Eshkol sprechen.«
»Ich bin der Chef von Mr. Eshkols Abteilung. Bitte erzählen Sie mir, was Sie zu sagen haben, Sheriff.«
»Eigentlich, Mr. Cohen, handelt es sich um einen persönlichen Anruf.«
»Sind Sie ein Freund von Aaron, Sheriff Gentry?«
Gentry wußte, daß etwas nicht in Ordnung war, konnte es sich aber nicht erklären. »Nein, Sir«, sagte er. »Ich bin mehr ein Freund von Aarons Onkel Saul Laski. Ich muß mit Aaron sprechen.«
Kurzes Schweigen. »Es wäre am besten, wenn Sie persönlich hierherkommen würden, Sheriff.«
Gentry sah auf die Uhr. »Ich bin nicht sicher, ob ich die Zeit habe, Mr. Cohen. Wenn Sie mich mit Aaron verbinden könnten, ließe sich feststellen, ob das erforderlich ist.«
»Nun gut. Von wo rufen Sie an, Sheriff? Hier in Washington?«
»Ja«, sagte Gentry. »Von einem öffentlichen Fernsprecher.«
»Sind Sie in der City selbst? Jemand könnte Ihnen den Weg zur Botschaft beschreiben.«
Gentry versuchte, seine zunehmende Wut zu zähmen. »Ich bin hier in der Nähe des Washington Hotel«, sagte er. »Holen Sie einfach Aaron, oder geben Sie mir seine Privatnummer. Wenn ich ihn in der Botschaft besuchen muß, nehme ich mir ein Taxi.«
»Nun gut, Sheriff. Bitte rufen Sie in zehn Minuten zurück.« Cohen legte auf, bevor Gentry Einwände erheben konnte.
Er schritt erbost vor dem Hotel auf und ab und war versucht, seine Sachen zu packen und sofort nach Philadelphia weiterzufliegen. Dies war lächerlich. Er wußte, wie schwer es war, einen Vermißten in Charleston zu finden, wo ihm sechs Deputies und eine Vielzahl von Kontakten zur Verfügung standen. Dies war absurd.
Er rief zwei Minuten bevor die zehn Minuten verstrichen waren, zurück. Wieder nahm die Frau ab. »Ja, Sheriff. Einen Augenblick, bitte.«
Gentry seufzte und lehnte sich an den Metallrahmen der Telefonkabine. Etwas Hartes wurde ihm in die Seite gedrückt. Gentry drehte sich um, sah zwei
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